Ist es Anklage, Abrechnung, Geständnis?

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schneeglöckchen_gk Avatar

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Entgegen des Titels liegt der Fokus des Romans nicht auf Siegfried, sondern dreht sich ausschließlich um die namenlose Ich-Erzählerin und ihre Probleme.

Die Erzählerin ist Schriftstellerin, hat aber eine langwierige Schreibblockade, entwickelt dadurch Existenzsorgen und pumpt alle möglichen Leute um Geld an. Sie hat sich mit ihrem Partner gestritten und auch der Alltag mit der Tochter und der vielen Care Arbeit überfordert sie. Aufgewacht aus einem Alptraum, in dem ihr Stiefvater gestorben ist, hört sie fortan durchgängig eine Sirene in ihrem Kopf heulen. Spontan beschließt sie, zur Sprechstunde in die psychiatrische Ambulanz zu gehen. Dort verbringt der Leser den Tag mit ihr, oder vielmehr in ihrem Kopf, wo sie zwischen aktuellen Gedanken und Erinnerungen an die Kindheit hin- und herspringt.

Auch in der Kindheit scheint Siegfried nicht der prägende Einfluss gewesen zu sein, sondern seine Mutter Hilde, bei der die Ich-Erzählerin immer wieder phasenweise gelebt hat. Es wird eine Reihe von kuriosen Vorfällen erzählt. Vieles davon wirkte auf mich etwas ausgestellt, es war nicht ersichtlich, welche Verbindung es zur Gegenwart gibt oder wie die Erlebnisse mit dem Plot der Handlung zusammenhängen. Insgesamt hat mir ein klar erkennbarer Plot in der Geschichte gefehlt und ich war vom Ende enttäuscht, bzw. hat mir eine sinnhafte Klammer gefehlt, die die 250 Seiten Lebensgeschichte umschließt. Trotzdem war das Gefühl, mit dem ich am Ende zurück geblieben bin heftig und ich hatte einen Kloß im Hals.

Eine Stärke des Texts liegt für mich in der präzisen Benennung von Gefühlen und einer verblüffenden Analyse bzw. Beschreibung von Situationen. Oft bewegt sich das Erzählte auf einem schmalen Grat und man fragt sich, ob das noch normale Eigenheiten in einer speziellen Familie sind, oder ob es schon grenzwertig für das Kind ist. Ich könnte mir gut vorstellen, dass genau das von der Autorin beabsichtigt ist und vieles nicht explizit benannt wird, aber dieses Konzept ist für mich abschließend nicht aufgegangen.

Das ganze Buch hat insgesamt nur 5 Kapitel, mir wäre etwas mehr Struktur und eine kleinteiligere Unterteilung lieber gewesen. Manchmal hätten dem Text Anführungszeichen für die wörtliche Rede gut getan, es war stellenweise schwer nachvollziehbar, um was es sich handelt.
Außerdem haben für mich die dünnen Seiten und die Qualität von Papier und Druck nicht zu dem edel wirkenden Umschlag gepasst.

Der Roman konnte mich nicht überzeugen und vieles, womit er beschrieben wird, habe ich darin nicht wiedergefunden bzw. sind die meisten Themen sehr blass geblieben.