Starkes Grundthema - fehlende Lösung

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herr_rabowski Avatar

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Siegfried ist der Mann im Leben der Protagonistin. Ihr Stiefvater, der die Welt um sie ordnet, an dem sie die Welt ausrichtet. Während die Ich-Erzählerin eigentlich den Tag beginnen und die Ordnung aufrecht erhalten möchte, fährt sie in die Notfallambulanz einer Psychiatrie. Sie hört Sirenen und hat Panik. Am Vorabend hatte sie Streit mit ihrem Partner. Und dann ist da noch ihre kleine Tochter Johnny, der sie einen geordneten Ablauf bieten will. Doch der Streit hat etwas aus dem Gleichgewicht gebracht, Siegfried meldet sich nicht und die Deadline des Verlags atmet in ihrem Nacken. Zu viel der Last.

Antonia Baum hat die Fäden eng gebunden, in einer flüssigen Sprache ohne viel Umschweife. Sie verknüpft eine Disbalance von Sein und Außenwirkung. Hilde verehrt ihren Sohn, sie betet Siegfried geradezu an. Sie ist in der Nachkriegsgeneration aufgewachsen und lehrt mit Strenge. Sie gibt das Misverhältnis, Frau müsse für einen Mann alles Ebnen und könne dies nur durch Selbstdisziplin und Härte erreichen, an die Siefenkelin weiter. Die in diesem Fall generationenübergreifende Prägung nimmt krankhafte Ausmaße an. Ein ungesundes Machtverhältnis zwischen Mann und Frau wird deutlich. Es wirkt fort und gewährt Raum für subtile und offenbare psychische und physische häusliche Gewalt.
Die Protagonistin hat ihren Partner nach diesen Maßstäben ausgesucht, obwohl sie alles anders machen wollte. Ihr Verhalten wurde ihr regelrecht antrainiert und auch das ebenfalls ungesunde Sein ihrer Mutter bricht immer wieder durch.

Das war alles schwer auszuhalten. Man wird durch Erinnerungen der Hauptfigur an prägende, einschneidende Begebenheiten in Zeitsprüngen durch deren Leben gelotst. Besonders Hilde und Siegfried, aber auch die Mutter hätte ich gern wach gerüttelt und angeschrien, dass sie endlich aufhören mit diesem Blödsinn, dass das alles die Persönlichkeit vermurkst.
Ausnahmslos alle Beteiligten waren immerzu bemüht nach außen eine einwandfreie Fassade aufrecht zu erhalten. Dass es scheinbar keine ausgeglichene, reflektierte Person in diesem Umfeld gab, erschließt sich mir nicht.
Ich habe mir für das alles Lösungsansätze gewünscht, irgendetwas,  das weiter führt. Aus diesem negativen Sumpf, der Unterwürfigkeit und den Zwängen hinaus. Stattdessen bleibt die Protagonistin vor ungelösten Problemen zurück, als könne in ihrem Leben nichts anders / besser werden. Als wäre das eben ihr Schicksal.
So war es sprachlich top, inhaltlich fehlt mir was.