Geheimtipp

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sago Avatar

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Mareike Krügel hat hier einen ungewöhnlichen Roman vorgelegt, der mich begeistert hat. Sie erzählt die Geschichte eines einzigen Freitags, und bringt darin doch das bisherige Lebe ihrer Protagoniston Katharina unter. Dabei gleiten Vergangenheit und Gegenwart so mühelos inneinander, dass mich der Lesefluss einfach immer weiter getragen hat.

Katharina, Anfang 40, ist Mutter des wohlgeratenen Alex und der anstrengenden, vermutlich unter ADHS und Hyperaktivität leidenden Helli. Ihr Ehemann Costas war gezwungen, eine Stelle in Berlin anzunehmen, um weiter als Architekt arbeiten zu können. Er kehrt nur zu den Wochenenden nach Norddeutschland zur Familie zurück. Katharina muss den anstrengenden Alltag allein bewältigen. Vor allem Helli stellt sie dabei immer wieder vor große Herausforderungen, die zum Teil so aberwitzig sind, dass der Leser Katharina nur bedauern kann. Ihre eigene Dissertation hat Katharina nie fertig bekommen und hat daher nur eine Teilzeitstelle in Kindergärten zur musikalischen Früherziehung. Der Sohn Alex dagegen ist so stromlinienförmig, dass er, so Katharina als Ich-Erzählerin, sogar zurecht käme, wenn die Stadt von Untoten überfallen würde.

Mitten in diese chaotische Normalität bricht Katharinas Entdeckung eines Knotens in ihrer Brust. Brustkrebs hat schon einige ihrer weiblichen Verwandten das Leben gekostet, darunter Katharinas Mutter. Doch nun kommt das Wochenende, an dem Katharina noch einmal so tun möchte, als wenn nichts wäre, bevor sie sich in der neuen Woche dem Strudel aus Angst und Untersuchungen ergibt.

Die Erzählung hat mich so in Atem gehalten, dass mir erst nach einer Weile klar wurde, es ist immer noch Freitag. Die Autorin zeichnet alle Charaktere so fein, mit sezierend-scharfem Blick, dass sie eine große Plastizität gewinnen. Da sind zum Beispiel Katharinas Nachbarn Heinz und Theo, beide ursprünglich Frauen. Der eine schafft es bei einem Heimwerker-Unfall, seinen Daumen zu verlieren, der andere, von Beruf Homöopath, sieht in allen Menschen aufgrund der Nähe zum Meer ein bestimmtes Meeres-Lied, so dass ein Kunde beispielsweise seiner Meinung nach das Lied der Seepocke singt. Dies verleitet Katharina zu dem Gedanken, sie selbst singe bald nur noch das Lied der Würmer. Bei aller Tragik gibt es so immer wieder Momente des Schmunzelns.

Schon früh war mir klar, dass es hier nur auf ein offenes Ende hinauslaufen kann. Bei anderen Romanen hat mich das gestört. Hier wirkt es absolut stimmig.
Lebensklug, tiefgründig, lustig und traurig zugleich: ein Roman wie das Leben. Am liebsten hätte ich mich mit Katharina und ihrer Autorin zu einem Tee zusammengesetzt. Ganz klare Leseempfehlung.