Sehen wir mal

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
eckenmann Avatar

Von

Während der Leseprobe sah ich mich als neugierigen aber auch angespannten Beobachter an der Seite der Ich-Erzählerin, Mutter einer Teenager-Tochter, sitzen.
Schnell konnte ich wieder auf den Beifahrersitz einsteigen und die rasanten Stunden einer Frau verfolgen, die irgendwie mittendrin in einem ungeliebten Haushalt steckt, ihren Alltag mit 2 schulpflichtigen Kindern durchwirbelt, nebenbei Kindergartenkinder musikalisch frühfördert und eine Fernbeziehung mit ihrem in Berlin arbeitenden Ehemann führt. Ich bin stets hautnah dabei, selbst im Sattel eines Pferdes.
Ausgangspunkt für meine Unruhe ist wohl das vorangestellte Musäus - Zitat "Am Ende läuft´s auf eins hinaus..." sowie der Eingangssatz "Ich will nicht sterben..", der mich gespannt verfolgen lässt, wie die Protagonistin Katharina die Stunden eines Freitages meistert und dabei einige unerhörte Erlebnisse in Begleitung ihrer Tochter sowie ganz allein bzw. mit Nachbarn und zu Besuch weilendem Studienfreund in ihrem Haushalt erlebt.
Immer wieder sind Rückblenden eingeflochten, die ihren beruflichen Werdegang, ihre familiären und freundschaftlichen Verhältnisse beschreiben.
Diese Reflexionen und Gedankengänge werden um Überlegungen ergänzt, was mit ihren Lieben geschieht, wenn sie selbst aus dem Leben scheidet. Einige wenige erfrischende Dialoge sowie drastische Beschreibungen von blutender Tochternase und verlorenen Nachbarsdaumen sowie ausgebranntem Trockner und geflüchteten Hausratten wirken dann kurzzeitig etwas erfrischend, in ihrer Wucht aber doch sehr geballt und überfrachtend.
Ich spüre ein Unbehagen, welches vom Verdacht der Ich-Erzählerin ausgelöst wird, dass sie einen Knoten in der Brust hat... kann dann aber nicht ganz schlüssig nachvollziehen, warum sie dies nicht weiter ärztlicherseits diagnostizieren, evtl. einschränken und abklären lässt.
So schwebt diese Annahme von ihr über Allem und führt wiederholt zum Nachdenken über das (bisher) gelebte Leben. Hier kann ich mich als doch schon etwas älterer Mann hineindenken und ganz gut nachempfinden, wenn sich Ärger und Traurigkeit über nicht genutzte Möglichkeiten und Chancen einschleichen, auch eine Unzufriedenheit und ein sich Benachteiligt-Fühlen als Frau.
Insgesamt staune ich über die gehäuften Missgeschicke und Herausforderungen, vor denen Katharina in diesen wenigen Stunden steht...
... Katharina wirkt auf mich auch sehr gehetzt und unruhig und ein irgendwie ziellos. Halt und Ruhe findet sie gelegentlich in der Musik....Letztlich kommt sie mir nur sehr bedingt näher. Zum zweiten Drittel des Buches hin und gegen Ende habe ich den Faden verloren und das Buch aus der Hand gelegt, vor allem der Aufbruch samt Nachbar und Studienfreund zum in Berlin arbeitenden Gatten überzeugt mich nicht.
Erst das zur Ruhe Kommen am Ende des Romans und der Schlusssatz "Wenn Sterben tatsächlich so ähnlich ist wie Einschlafen, dann brauche ich keine Angst zu haben." tröstet und versöhnt mich wieder und macht mich ruhiger.

Rückblickend erinnere ich insgesamt ein recht kurzweiliges Lesegefühl über weite Strecken des Buches.

Der Cover-Fuchs taucht einmal auf, da spüre ich einen schönen Moment des Innehaltens, dann huscht er vorbei.
"Sieh mich an" regt mich weiter zum Nachdenken über Leben und Tod, Abschied und Willkommen an, vielleicht blättere ich noch einmal einige Seiten auf und höre mir dann dabei Schumanns "Dichterliebe" und die "Geistervariationen" an...