Nachdenklicher thriller

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jericothoem Avatar

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Dieses Buch fühlt sich ein wenig an wie ein nicht zu fest gewebtes Tuch. Thematisch ist es eine Exploration von Gewalt und Weiblichkeit, von gewalttätigen Frauen. (wobei es sehr cis und zweigeschlechtlich geschrieben ist).
Wir erfahren die Geschichte von Dios und Florida, die sich im Gefängnis kennen lernen und sich am Ende in Los Angeles gegenüber stehen. Es erzählen aber auch eine Zellengenossin die mit den Toten redet und eine Polizistin Aspekte dieser Geschichte, nicht nur Florida. Die verschiedenen Erzählperspektiven ergänzen sich gut, werden zu einem Chor.

Das Ganze spielt zur Zeit der offiziellen Pandemie, der Zeit von Abstandsregeln und shelter-in-place orders. Es ist mein erster Roman der in dieser jüngeren Vergangenheit spielt und ich war erst etwas skeptisch. Die Stimmung dieser Zeit fand ich aber sehr gut eingefangen und für den Roman sehr passend. Es herrscht eine Entfremdung, eine angespannte Ungewissheit vor, ein ZwischenRaum entsteht der die Thematik der Erzählung schärft.

Auch, oder gerade, weil das Ende von Anfang an in groben Zügen klar ist, ist dieser Thriller spannend. Es geht um das Nachvollziehen des Weges. Das Wie und Warum. Die Erzählweise überträgt das Gefühl von Dios getrieben zu werden auf mich als Leser.

Sprachlich pflegt Ivy Pochoda einen umgangssprachlichen Stil in den sie geschickt die größeren klassischen stilistischen Mittel eingewoben hat.
In der Handlung schwingt auch immer wieder die grundsätzliche Ebene mit, ohne, dass ich diese als zu dominant erlebt habe. Das philosophische fügt sich nahtlos in die Erzählung; Handlung und Reflexion gehen in einander über. Die sprachlichen Verflechtungen tragen dazu bei.

Meine Erwartungen hat "Sing mir vom Tod" übertroffen, die Mischung für mich sehr gut gepasst.