Die natürliche Ordnung der Dinge

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owenmeany Avatar

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Das Motiv des Unheil bringenden Rotkehlchens, das zu singen anfängt, empfinde ich als sehr bedeutungsvoll, denn es verheißt Hoffnung für die vom Schicksal schwer gebeutelte Honora/Nell, die unvorstellbare Qualen erleidet in Irlands Hungerjahren. Es ist historisch belegt, dass die geschwächte Bevölkerung ihres Dorfs sich mit letzter Kraft aufmacht zu dem gewissenlosen Landbesitzer, der sie schnöde abweist und in Eis und Schnee zurückschickt. Ein Wunder, dass Honora an ihrer Fehlgeburt nicht stirbt.

Auch die Flucht nach Amerika bringt sie sozusagen vom Regen in die Traufe. Mehrmals wird sie von Menschen, denen sie sich anvertraut, hintergangen. Unglaublich, welche Stärke sie immer wieder in ihrem innersten Zentrum sammelt, die Autorin hat da eine sehr eindrucksvolle Frauenfigur geschaffen. Besonders gelungen ist ihr dabei die Charakterzeichnung, die nicht nur schwarzweiß erscheint, sondern alle Graustufen durchmisst. Hierbei spielt auch die menschliche Sprache an sich durch den gesamten Roman hinweg eine interessante und wichtige Rolle.

Im Mittelpunkt von Honoras Streben steht jederzeit ihre persönliche Freiheit, nach der sie verzweifelt und lange vergeblich sucht und von der sie lediglich in der Prärie eine Ahnung verspürt. In der Begegnung mit dem Indianer Joseph findet sie zum ersten Mal jemanden, der sie aufgrund ähnlicher Erfahrungen von Unterdrückung und auch Hunger versteht. Die Geradlinigkeit der Protagonistin imponiert mir in hohem Maße, und der Einblick in die Schicksale der Immigrantinnen in die Vereinigten Staaten haben mein Bewusstsein für diese Materie geschärft.