Von Irland nach Amerika
In den Jahren 1845 bis 1849 wurde die irische Bevölkerung Opfer einer furchtbaren Hungersnot. Ausgelöst durch die Kartoffelfäule kam es mehrere Jahre hintereinander zu Missernten. Kartoffeln waren das Hauptanbauprodukt und demzufolge auch das Hauptnahrungsmittel der ländlichen Bevölkerung. Mangels Erträgen waren die Pächter bald mittellos und konnten den Mangel an Kartoffeln nicht kompensieren. Die Regierung hätte den Export von Weizen untersagen können, um die eigene Bevölkerung zu unterstützen - hat sie aber nicht. Über eine Millionen Menschen bzw 12% der Bevölkerung starben an Hunger. Weitere 2 Millionen wanderten aus, um diesen furchtbaren, ausweglosen Verhältnissen zu entkommen.
Eine davon ist die junge Honora, der außer ihrem Leben nichts geblieben ist. Doch das stand von Anfang an unter keinem guten Stern, denn bei ihrer Geburt starb ihre Mutter, und dies macht sie, kombiniert mit einem Aberglauben, zur lebenslangen Außenseiterin in der irischen Gesellschaft. Honora tickt anders als ihre Zeitgenossen, und das macht sie zusätzlich verdächtig. Auf dem Schiff nach Amerika trifft sie Mary, mit der sie sich zusammentut, zunächst in New York, später im westlichen Territorium. Nach schwierigen Jahren ordnet sich Honoras Leben, doch sie kann langfristig nicht aus ihrer Haut, was neue Konflikte hervorruft. Im Territorium ist es, wie schon in Irland, ihre besondere Beziehung zur Natur, die ihr Kraft und Halt gibt. Die Hinwendung Honoras zur indigenen Bevölkerung dieses weiten Landes ist für sie vor diesem Hintergrund nur noch ein kleiner Schritt.
Jacqueline O’Mahony bescheibt eine von Armut, Ausbeutung, Aberglauben und Bildungsferne geprägte Welt. Die Landbevölkerung hat nichts zu Essen, kann die Pacht nicht mehr aufbringen und ist den Mächtigen völlig ausgeliefert. Honora trägt diese Bürde wie ein Kainsmal durch ihr Leben. Sie kann zwar Irland verlassen, aber Irland lässt sie nicht los.
Die Autorin vermischt die Tragödie einer jungen Frau, eingebettet in historisches Geschehen, mit Elementen eines Abenteuerromans. Sie lässt ihre Protagonistin von Anfang an kritisch auf die Landnahme im Territorium blicken. Geprägt und sensibilisiert durch die Ausbeutung in Irland stellt sie die Frage nach den Besitzansprüchen für das Land. Dürfen die neuen Siedler ihre Parzelle ihr Eigen nennen? Wem hat das Land vorher gehört? Oder wem gehört es noch? Ein Pony mit unklarem Besitzerstatus wird zum Sinnbild für diese Fragen.
Ich habe den Roman ganz gerne gelesen, er ist spannend, traurig, zu Tränen rührend und liest sich flott weg. Allerdings konnte ich, ganz ähnlich wie ihre Zeitgenossen, Honora nur bedingt nahe kommen, und ich frage mich auch, ob die Autorin nicht ein wenig zu viel gewollt hat, erscheint mir die Handlung doch etwas überfrachtet mit der Geschichte der irischen Hungersnot einerseits und der ethisch-moralischen Frage nach der Landnahme in Amerika andererseits.
Die Autorin Jacqueline O’Mahony ist 1972 in Irland geboren und wurde bereits im Alter von 14 Jahren von der Zeitung Irisch Examiner als „Young Irish Writer of the Year“ ausgezeichnet. Dieser Roman wurde von pociao und Roberto de Hollanda aus dem irischen Englisch übersetzt.
Bibliografische Angaben: Jacqueline O’Mahony: Sing, wilder Vogel, sing, Diogenes, Zürich 2024, ISBN 978-3-257-86514-1, 24€, erscheint am 25. September 2024
Eine davon ist die junge Honora, der außer ihrem Leben nichts geblieben ist. Doch das stand von Anfang an unter keinem guten Stern, denn bei ihrer Geburt starb ihre Mutter, und dies macht sie, kombiniert mit einem Aberglauben, zur lebenslangen Außenseiterin in der irischen Gesellschaft. Honora tickt anders als ihre Zeitgenossen, und das macht sie zusätzlich verdächtig. Auf dem Schiff nach Amerika trifft sie Mary, mit der sie sich zusammentut, zunächst in New York, später im westlichen Territorium. Nach schwierigen Jahren ordnet sich Honoras Leben, doch sie kann langfristig nicht aus ihrer Haut, was neue Konflikte hervorruft. Im Territorium ist es, wie schon in Irland, ihre besondere Beziehung zur Natur, die ihr Kraft und Halt gibt. Die Hinwendung Honoras zur indigenen Bevölkerung dieses weiten Landes ist für sie vor diesem Hintergrund nur noch ein kleiner Schritt.
Jacqueline O’Mahony bescheibt eine von Armut, Ausbeutung, Aberglauben und Bildungsferne geprägte Welt. Die Landbevölkerung hat nichts zu Essen, kann die Pacht nicht mehr aufbringen und ist den Mächtigen völlig ausgeliefert. Honora trägt diese Bürde wie ein Kainsmal durch ihr Leben. Sie kann zwar Irland verlassen, aber Irland lässt sie nicht los.
Die Autorin vermischt die Tragödie einer jungen Frau, eingebettet in historisches Geschehen, mit Elementen eines Abenteuerromans. Sie lässt ihre Protagonistin von Anfang an kritisch auf die Landnahme im Territorium blicken. Geprägt und sensibilisiert durch die Ausbeutung in Irland stellt sie die Frage nach den Besitzansprüchen für das Land. Dürfen die neuen Siedler ihre Parzelle ihr Eigen nennen? Wem hat das Land vorher gehört? Oder wem gehört es noch? Ein Pony mit unklarem Besitzerstatus wird zum Sinnbild für diese Fragen.
Ich habe den Roman ganz gerne gelesen, er ist spannend, traurig, zu Tränen rührend und liest sich flott weg. Allerdings konnte ich, ganz ähnlich wie ihre Zeitgenossen, Honora nur bedingt nahe kommen, und ich frage mich auch, ob die Autorin nicht ein wenig zu viel gewollt hat, erscheint mir die Handlung doch etwas überfrachtet mit der Geschichte der irischen Hungersnot einerseits und der ethisch-moralischen Frage nach der Landnahme in Amerika andererseits.
Die Autorin Jacqueline O’Mahony ist 1972 in Irland geboren und wurde bereits im Alter von 14 Jahren von der Zeitung Irisch Examiner als „Young Irish Writer of the Year“ ausgezeichnet. Dieser Roman wurde von pociao und Roberto de Hollanda aus dem irischen Englisch übersetzt.
Bibliografische Angaben: Jacqueline O’Mahony: Sing, wilder Vogel, sing, Diogenes, Zürich 2024, ISBN 978-3-257-86514-1, 24€, erscheint am 25. September 2024