Dark Fantasy aus Deutschland

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sago Avatar

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Mit großen Erwartungen bin ich an dieses Buch herangegangen, denn der Stil ist schon mal durchaus herausragend. Ja, der Autor weiß zu formulieren. Vielleicht waren meine Erwartungen aber auch dadurch einfach etwas zu groß. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass die Handlung mich ebenso hätte in den Bann ziehen können wie die Sprachkunst. Leider war das im Laufe des Buches aber immer weniger der Fall, und zum Ende hin (mit Ausnahme der Szene, wo Mykar auf den Schwarzen Jäger trifft) wurde die Lektüre immer mehr zur Pflichtübung. Das ist so schade. Im Nachhinein betrachtet, kommen mir die ganzen fast 600 Seiten vor wie ein endloser Auftakt zu einer Geschichte, die dann hoffentlich ein nächster Band erzählt. Denn in der Tat passiert über weite Strecken nicht viel.
Unser Protagonist Mykar ist ein Antiheld, wie er im Buche steht. Ein sogenanntes Skargat-Kind, eine Steißgeburt, die mit Haaren, Zähnen und schwarzen Fingernägeln zur Welt kommt. Er führt ein Leben als gehänselter Außenseiter, bis sich der junge Cay seiner annimmt. Doch Cays Liebste wird brutal ermordet und ausgerechnet Mykar der Mord angehängt. Er wird geprügelt und aus dem Dorf vertrieben. Allein in der Wildnis, wandelt er sich nun endgültig zu einer Schattengestalt. Soweit, so gut. Ich persönlich lese sehr gern Dark Fantasy, mag Antihelden und liebe das Motiv der Wilden Jagd, an das der Autor Anklang nimmt.
Ich liebe auch das Skurrile. Selbst mir wurde es aber zeitweise zu skurril. Mykar findet das Skelett eines ermordeten Mädchens. Den Schädel schleppt er endlos mit sich herum und unterhält sich mit ihm. Das hat mich sehr bald genervt.
Nachdem Mykar erfahren hat, dass nun Cay seinerseits des Mordes an einem Adligen angeklagt wurde, macht er sich auf, seinen Freund aus Kindheitstagen zu retten. Er bekommt neue Gefährten, den trinkfreudigen Adligen Justinius und dessen verrückte Magd Scara. Auch diese hatte für mich ein gewisses Nervpotental. Schließlich stößt noch, vergleichsweise spät im Buch, die schöne Vanice dazu, die sich abstruserweise von Leichen ernährt. Wie es dazu kam, wird zwar viel später erläutert, war für mich aber nicht nachvollziehbar. Justinius und Vanice werden selbst zu Ich-Erzählern und lösen Mykar ab. Das war für mich verwunderlich, da sie ja erst so spät in der Geschichte dazustoßen und einfach nicht die gleiche Bedeutung gewinnen wie Mykar. Vanice ist durchaus ein interessanter Charakter. Leider ging mir aber auch Justinius relativ schnell auf den Geist. Seine ausdrucksweise mit dem ewigen "verfickt" usw. passt zwar eigentlich zum Charakter, entspricht aber einfach nicht meinem Geschmack in Fantasyromanen. Auch manche geschilderten Szenen wie der Umgang des eigentlichen geheimnisvollen Mörders, der auch Cays Liebste auf dem Gewissen hat, mit Frauen, waren mir zu eklig. Lange zieht sich die Mission Cay zu retten, ergebnislos hin, und ich habe mich schon gefragt:"Und was sollte das nun alles?" Aber dann findet der Autor doch noch einen Trick, der verblüfft und neugierig macht, was wirklich aus Cay wurde.
Da mich der Roman so zwiegespalten hat, habe ich mir mal ein paar andere Meinungen durchgelesen. Da ist ja teilweise sogar die Rede davon, es handele sich hier um ein neues Genre. Der Eindruck ist bei mir nicht entstanden, und wie gesagt, der Autor spielt auch viel mit dem Motiv der Wilden Jagd, das alles andere als neu ist. Ich wünschte immer noch, inhaltlich hätte mir der Roman so gut gefallen wie sprachlich.