Eine Quälerei...

Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
ismaela Avatar

Von

Es ist schon eine ganze Zeit her, dass ich mich so durch ein Buch quälen musste, wie durch dieses. Die Leseprobe fand ich richtig gut, schön düster, schön geheimnisvoll, mal ein bisschen was anderes, als in den sonstigen Fantasy Romanen, die momentan so durch die Buchwelt geistern. Leider hat sich diese Stimmung im weiteren Verlauf nicht fortgesetzt, ganz im Gegenteil.

Der Inhalt lässt sich schwer zusammenfassen, denn während der Rücken- und Klappentext von der Horde des schwarzen Jägers und einem ominösen Bösen spricht, quillt die Geschichte selbst über vor zigtausend Handlungssträngen, in denen die "Horde" und das "Böse" höchstens ab und an kurz an die Oberfläche hüpfen und dann gleich wieder verschwinden. In der Hauptsache geht es um Mykar, ein verstoßenes Kind, das durch unglückliche Umstände zu einem Schattenwesen wird und im Laufe der Handlung alles auf einmal machen will/muss: seinen besten Freund retten, eine verstorbene Freundin (von der er nur den Totenschädel besitzt) zu eine bestimmten Ort zurückführen, Ruderick bzw. die gesamte "Horde" auslöschen, vorher dann aber doch noch einen Mann an der Küste für einen anderen Schattenmann ermorden etc. pp. Hier wird einfach nur viel zu viel in diese Geschichte gepackt, und nicht nur einmal hatte ich das Gefühl, dass der Autor zum Schluss selbst nicht mehr wusste, was nun alles in "Skargat" stattgefunden hat. Selbst wenn, wie es den Anschein hat, Nachfolgebände zu diesem erscheinen sollen, wirkt alles unaufgeräumt und ist weder Fisch noch Fleisch. Zu Mykar gesellen sich im Laufe der Geschichte noch Justinius, seine Magd Scara und Vanice, eine Frau, zu die ihm ein Rabe führt, wenn ich mich richtig erinnere. Die Zusammenführung mit diesen Personen geschieht holterdipolter; man kennt sich kaum, aber schon versteigen sich alle dermaßen in die Rettung von Cay. Es gibt keine Überbrückung, in der man sich erst mal, wie soll ich sagen, kennenlernt, erfährt, um was es eigentlich geht, welche Beweggründe es bei den jeweiligen Personen gibt. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen, aber ohne Anspruch, es gibt keine Spannung, alles geschieht irgendwie immer so nebenher. Die "Kämpfe" sind absolut blutleer und gähnend langweilig und erstrecken sich nie (!) über mehr als ein oder zwei Absätze. Puh.

Dann die Personen an sich. Die gesamte Geschichte wird in der Ich-Form erzählt, wobei sich drei Personen abwechseln: der bereits erwähnte Mykar, der Adlige namens Justinius und die Leichenesserin namens Vanice.
Ich konnte mich mit keiner einzigen Person in diesem Buch erwärmen (auch mit keiner Nebenfigur), alle sind flach und klischeeschwanger. Mykar soll die Geschichte tragen, ist aber einfach nur ein Trauerkloß, ständig stotternd, verwirrt und die meiste Zeit eh irgendwie ohnmächtig oder krank. Er hat eine schlimme Kindheit erlebt, ich hätte mir so erhofft, dass er durch das Erlebte zu einem starken und stolzen Krieger erwächst, der unter seinen Quälern mal kräftig aufräumt. Vanice ist die allzeit bekannte und benötigte mysteriöse Quoten-Schönheit, die ebenfalls ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt, aber ohne die es dann doch nie geht. Sie benimmt sich wie es sich eben ein männlicher Autor vorstellt: von einer Emotion in die nächste, vom umhätschelten Prinzesschenpüppchen zur tragischen aber stolz-starken Gequälten, die ständig tränennasse Augen hat und völlig Sinnlose Dialoge mit Mykar, Justinius und Scara führt. Und Justinius? Ich muss sagen, dass mir selten ein solcher Kotzbrocken über den Weg gelaufen ist (literarisch gesehen). Und das ist kein Kompliment an den Autor, weil er so eine emotionale Figur erschaffen hat. Ich musste mich spätesten nach dem Kapitel "Väter, Söhne, Huren" ernsthaft zwingen weiter zu lesen, und habe mich schon gefragt, warum in diesen Fantasy-Pamphleten Frauen eigentlich nur zwei Rollen zugestanden wird: Hausfrau und Mutter oder eben Hure. Etwas dazwischen scheint es nicht mehr zu geben. Dementsprechend drückt sich Justinius denn auch aus, wenn er in "seinen" Kapiteln von Titten, Ärschen, ficken, vögeln, Huren, Kacke, Schwänzen, Eier (nicht die, die ein Huhn legt!), Scheiße und weiteren Ergüssen in einer Art und Weise pöbelt, dass es einem schlecht wird. Für ihn gibt es nichts außer "saufen und Huren zu besteigen" (S. 272), er findet es schon in Ordnung, sich Frauen zu kaufen wie Vieh (S. 184), sie zu vergewaltigen (was Adlige ja schon mal machen) mit der Begründung "Für irgendwas müssen sie ja gut sein, die Bauernmädchen!" (S. 343) - ich könnte noch ewig so weiterschreiben, aber dann bekomme ich gleich wieder Hassgefühle. :-(

Ich bin nicht zartbesaitet, es ist schon okay, wenn es mal ein bisschen härter zugeht. Auch habe ich nichts gegen Kraftausdrücke, wenn sie in den Kontext passen. Aber in einem Fantasy Roman, wie diesem, der ganz offensichtlich in der, sagen wir mittelalterlichen, Vergangenheit spielt, passt diese Sprache ganz einfach nicht. Man sagt in dieser Zeit nicht "Hallo", "verfickte Scheiße" und alles, was da sonst noch rumgeistert. Dieser Schreibstil ist auch nicht frech und modern, sondern einfach nur gossenhaft und ordinär.

Schade um die ganze Zeit, die der Autor mit dem Schreiben und ich mit dem Lesen verbraucht haben - aus diesem Stoff hätte man mehr machen können. Einen Stern vergebe ich, weil das Cover toll gestaltet ist. Aber nach diesen 568 Seiten bin ich einfach nur froh, dass ich die letzte Seite zuklappen konnte.