Tolle Charaktere, aber ein fehlender Fokus

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lizzycurse Avatar

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Mykar lebt in einem abgeschiedenen Dorf ein einsames Leben, da er als ein Skargat-Kind verschrien ist. Von den anderen Kindern wird er gemieden oder geärgert und von den restlichen Bewohnern mit Nichtachtung gestraft. Bis ihn der ältere Cay vor erneuten Drängseleien der Jungen beschützt. Cay wird zu einem Weggefährten und Freund, bis ein Mädchen gewaltsam stirbt und Mykar beschuldigt wird. Halb tot geschlagen schleppt er sich in den Wald, nur um endlich Ruhe zu finden. Doch der Tod entlässt ihn Jahre später aus seinen Klauen, weil Cay in höchster Gefahr schwebt. Gemeinsam mit zwei seinen Weggefährten (wider Willen), dem immer betrunkenen Adligen Justinus und seiner Magd Scara, macht er sich auf zu einer Rettungsaktion, bei der es um viel mehr geht als nur um die Rettung eines einzelnen.

„Skargat“ stellt Daniel Illgers Romandebüt dar, welches durch eine abwechslungsreiche und literarisch schöne Sprache besticht, nichts desto trotz noch unter der ein oder anderen Kinderkrankheit leidet.
Doch von vorn. Schon im Prolog spürt man Illgers dichte und facettenreiche Sprache. Man reitet förmlich mit der schwarzen Horde durch die Nacht. Auch im weiteren Verlauf des Buches vermag es der Autor mit der Sprache zu spielen und sie gerade so einzusetzen, das es zu den unterschiedlichen Erzählperspektiven passt und man sich so in die verschiedenen Charaktere hineinversetzen kann. So konnte ich mich auch rasch in die Geschichte hineinfinden, die zwar nur langsam aufgebaut wird, man dadurch aber immer am Ball bleibt. Man lernt zunächst Mykar kennen, aus dessen Perspektive der erste Teil des Buches erzählt wird. Im zweiten kommt Justinius als Erzähler hinzu, im dritten eine Dritte Protagonistin. Auf die Art und Weise wird man nicht ständig zwischen den verschiedenen Charakteren hin und her geworfen. Bei so manch anderem Buch kam ich mir am Ende vor wie ein Ping-Pong-Ball, mit dem gerade eine große Chinesische Runde gespielt wurde. Illger hat es also verstanden, seine Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen und ihr damit eine gewisse Komplexität zu verleihen, trotzdem den Leser immer in der Geschichte zu behalten.
Auch gelingt es ihm, den Personen eine unterschiedliche Klangfarbe zu verleihen. So merkt man den deutlichen Unterschied zwischen Justinius schnoddriger Art und Mykars Erzählweise, und das macht auf weiten Strecken des Buches Spaß und verleiht dem Roman eine gewisse Atmosphäre.
Die Atmosphäre an sich ist ziemlich düster gehalten, streckenweise driftet sie ins morbide oder makabre ab. Ich persönlich habe diesen Richtung der High-Fantasy genossen, da ich Bücher solcherart nicht allzu oft zur Hand nehme. Auf die Dauer wäre es jedoch nicht mein Genre.
All diese positiven Punkte haben mir geholfen, über die sich doch manchmal arg dehnenden Passagen des Buches hinwegzukommen. Denn an einem krank das Buch: Der Handlung an sich. Natürlich, im Roman existieren viele kleine Binnenhandlungen, wie z.B. der Rettungsversuch Cays oder die Geschichte rund um die dunkle Horde. Doch hat für mich der nötige Fokus gefehlt. Ich wusste nicht so recht, wohin die Reise am Ende führen würde und das Ende an sich lässt viele Handlungsmöglichkeiten offen und mehr Rätsel ungelöst als aufgeklärt. Am Ende zeigt der Wegweiser eben nicht in eine bestimmte Richtung, sondern auf das nächste Buch, in der Hoffnung dass sich dort ein Weg, der zur Lösung des Rätsels führt, eröffnet. Das ist mir zumindest nicht genug.

Alles in allem ein guter Erstling, der durch seine dichte Atmosphäre und seine starke Sprache besticht, jedoch den Fokus des Öfteren mal stolpernd verliert. Ich vergebe knappe vier Sterne für Skargat.