Brennpunkt Berlin

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Es sind drei Erzählstränge, die Johannes Groschupf hier in seinem neuen Berlin-Noir-Thriller mehr oder weniger miteinander verknüpft.
Koba aus Tiflis gehört zu einer Einbrecherbande, die in Berlin massenweise Häuser ausräumt. Romina Winter ist Polizistin, aber als Roma auch noch fest mit ihrer Familie und deren Werten verwurzelt. Jaques Lippold ist frisch aus der Justizvollzugsanstalt Tegel entlassen und möchte sich ein Leben als Kunstexperte bei den Reichen und Schönen aufbauen.
Zu Beginn liest es sich durchaus spannend, welchen Weg jeder der drei Charaktere einschlägt und es macht neugierig, wie diese verschiedenen Figuren zusammen finden. Doch im Verlauf der Geschichte werden die Figuren immer klischeebeladener, vor allem Romina fehlt für mich die Authentizität. Wer sich so hochkämpft aus der Roma-Familie, sich für den Polizeidienst entscheidet, der hat gefühlt mehr verdient als zum Schluß fast nur noch auf seine Herkunft reduziert zu werden. Die Verbindung zwischen Romina und Lippold ist interessant und spannend, die Verknüpfung zu Koba macht mich lange neugierig und enttäuscht mich dann am Ende.
Bei allen drei Hauptfiguren geht es vor allem um die Verteidigung der Ehre. Romina möchte den Angriff auf ihre Familie rächen, Lippold den Diebstahl seiner teuren Uhr in der Haftanstalt und Koba rutscht in die Kriminalität durch einen Ehrenmord in Georgien, der ihn zur Flucht nach Deutschland zwingt. Doch alles ist ein bisschen zu konstruiert, die Erlebnisse einen Tick drüber. Die Beschreibungen aus der Kunstszene lesen sich herrlich versnobt, die Diskrepanz zur Berliner Szene ist gerade an der Figur Lippolds gut beschrieben: in den Neunziger Jahren war er Tickerboy im Bunker in Berlin, jetzt sitzt er in der Feinkostabteilung des KaDeWe bei Champagner und Austern.
Skin City führt die Leser*innen rasant durch Berlin, von der Harzer Strasse wo die Roma leben bis zu den Villen in Lichterfelde. Ein kurzer Thriller mit 230 Seiten, der zwar spannend ist, aber mehr Tiefgang vertragen hätte.