Tolle Story, blödes Ende

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alasca Avatar

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Romina Winter, coolste Polizistin Berlins, sucht den Mann, der ihre Schwester Sanda zusammengeschlagen hat. Bald folgt sie einem vielversprechenden Hinweis und verbeißt sich in den Fall wie der sprichwörtliche Terrier. Parallel wird ihr Revier von einer Einbrecherbande heimgesucht, die systematisch die Häuser des Speckgürtels ausräumt. Koba, ein georgischer Dieb, der für eine streng hierarchisch organisierte Bande arbeitet und davon träumt, nach Kanada zu gehen, will aussteigen. Schwierig, denn seine Bosse wollen, dass er erst die geplanten Brüche in Berlin abarbeitet. Lippold, ein Steuerbetrüger, ist frisch aus dem Knast entlassen worden und hält Ausschau nach neuen Verdienstmöglichkeiten. Durch Zufall begegnet er einer kunstliebenden Anwältin; fortan sieht er sich als Kunstberater. Daneben hat er noch eine Rechnung mit einem Ex-Mithäftling offen. Soweit die Ausgangslage des Romans.

Skin City führt uns in ein Berlin der Gegensätze und gibt dem Autor Gelegenheit, wieder mal sein ausgezeichnetes Gespür für soziale Verhältnisse zu beweisen. Romina Winters Milieu der Roma, Lippolds Halbwelt der Ex-Knackis, das rechtsaffine Milieu einer Kleingartensiedlung. Im Kontrast dazu die Wohlstandsbürger mit ihrer Bildungsarroganz, ihren Kunstsammlungen und Weinkellern – das wird wunderbar ironisch herausgearbeitet und machte Spaß zu lesen. Besonders mochte ich, dass die Schilderungen des Autors ganz ohne Urteil auskommen. Zeigen statt Behaupten – Groschupf versteht sein Handwerk und überlässt der Leserin die Schlüsse, die gezogen werden können oder auch nicht.

Jede Partei des Romans verfolgt ihre Ziele, die mit den Zielen der anderen unweigerlich kollidieren müssen, das ist schön konstruiert. Die Story liest sich flüssig und die erwartete Kollision sorgt für Spannung - wo und wie werden die drei Erzählstränge aufeinandertreffen, und was wird dann passieren? Dazu trägt die gleich doppelte Rachetrope bei, die Groschupf kongenial bedient. Allerdings habe ich zum Romantitel nirgendwo im Text einen Bezug gefunden. Schade, eine Resonanzmöglichkeit verschenkt.

Mir gefiel auch die Figurenzeichnung sehr gut, angefangen bei dem in seinem Milieu gefangenen Koba bis hin zur Berliner Kunstszene. Lippold fand ich besonders gelungen. Clever und gewaltbereit mit äußerst kurzer Lunte, gelingt es ihm durchaus, Sensibilität abzurufen, wenn er sie braucht – eine ebenso komplexe wie glaubwürdige Figur.

Was mir überhaupt nicht gefallen hat, ist die Entwicklung von Romina Winter. Dass Groschupf ihr so ziemlich jedes Roma-Klischee verpasst, geschenkt, finde ich im Kontext der Polizei sogar witzig. Aber eine Figur derartig zu dekonstruieren? Da lässt sich ein alter weißer Mann mal eine coole, emanzipierte weibliche Figur einfallen und rutscht am Ende wieder in patriarchale Romantiknarrative ab? Come on!

Fazit: Trotz guter Charaktere, schlüssigem Krimiplot und scharfsinnigen Sozialanalysen habe ich den Roman mit sehr schlechter Laune zugeklappt. Mit Romina Winter kann es in den etwaigen Folgeromanen aus meiner Sicht jetzt nur noch bergab gehen – sorry, da bin ich raus.