Die Welt ist eine Bühne

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theresia626 Avatar

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„So it Goes“ von Michael Tucker entführt den Leser in das Showbusiness, auf die Bretter, die die Welt bedeuten und zu einem außergewöhnlichen Schauspielerehepaar. Auf den Brettern dieser Welt standen Annie und Herbie Aaron zuletzt vor drei Monaten und machten gemeinsam ein Musical. Jetzt liegt Annie schwer krank im New Yorker Mount Sinai Hospital und wird an Brustkrebs sterben. Beide lernten sich vor gut vierzig Jahren kennen und lieben. Sie führten eine sehr glückliche Ehe voller sexueller Experimente mit spirituellen Phasen und wurden sehr reich. Herbie zieht abends durch die Bars der Stadt und betrinkt sich. In einer kleinen Bar lernt er Olive kennen, …„Üppiges dunkles Haar, streng aus dem Gesicht gekämmt, unglaubliche Wangenknochen.“ (S. 9) Sie erinnert ihn an ein Gesicht auf einem italienischen Fresko, an das Mädchen von Piero della Francesca. Herbie erzählt seiner Frau von ihr, und diese möchte Olive kennenlernen, ihre Geschichte hören. Olive, die in der Bar ihres Onkels arbeitet, tritt nebenbei noch in Musicals auf. Sie hat eine wunderbare Stimme und schauspielerisches Talent. Annie erkennt sich in Olive wieder und schaltet ihren Agenten Jeffrey Marshall ein, um Olive zu einem Vertrag zu verhelfen. Olive bekommt die Rolle der Elena in Tschechows „Onkel Wanja“ und arbeitet mit Bob Frankell, einem exzentrischen, aber liebenswerten langjährigen Freund der Familie zusammen.

Nach dem Tod von Annie verliert Herbie nicht nur die Liebe seines Lebens, er verliert auch den Halt. Er weiß nicht mehr, wer er ist, und es geht ihm schlecht. Bei ihm zu Hause spürt man die Traurigkeit aus den Wänden sickern (S. 67). Deshalb verlässt er New York, um Abstand zu gewinnen und fährt nach Myrtle Beach in South Carolina, auch wenn ihm ein Ausflug ans Ende der Welt lieber wäre. Hier lernt er Billy Stiles, die beste Golflehrerin weit und breit und ihre Schwester Roxanne kennen. Auch Billy hat einen schweren Verlust erlitten, der ihr fast den Boden unter den Füßen weggerissen hätte. Sie ist eine intelligente und resolute Frau, beide freunden sich an.

Während seiner Selbstfindungsphase bleibt Herbie mit Olive ständig in Kontakt, er ist ihr Mentor geworden. Dabei hilft ihm sein durch lebenslange Erfahrung gewonnenes Wissen. Er berät sogar den Regisseur des Tschechow-Stücks in einer schwierigen Situation. In diesen Passagen merkt man dem Roman deutlich an, dass der Autor weiß, worüber er schreibt. Er kennt das Metier aus erster Hand. Herbie muss nicht nur mit seiner Trauer fertig werden.

Er muss auch sein Verhältnis zu seiner neurotischen Tochter Candy klären und ihr und ihrem Freund Maurice, der im gleichen Alter ist wie er, helfen, ihre Beziehung zu retten. Candy hat zeitlebens darunter gelitten, dass ihre Eltern einander so nahe standen. Sie lebten immer in einer eigenen Welt „als umgebe ein schützender Bannkreis die beiden; sie, die Tochter, konnte nie in den magischen Kreis eindringen“. (S. 22) Candy hat sich immer ausgeschlossen gefühlt und versucht seit langer Zeit mit Hilfe von Therapien, die daraus entstandenen psychischen Defekte zu überwinden.

Michael Tuckers Erstlingswerk „So it Goes“ erzählt nicht nur eine Geschichte über Verlust und Trauer, sondern auch über die Hoffnung, dass es im Leben weitergeht. Der Roman ist amüsant und streckenweise witzig geschrieben. Für Herbie gibt es vielleicht eine neue Liebe und, wenn alles gut läuft, eine neue Rolle. Ein sehr amerikanisches Buch, das mir gut gefallen hat.