Beeindruckender Roman darüber was Krieg wirklich bedeutet

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anonym67 Avatar

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- Inhalt -

Der Roman deckt die gesamte Spanne des zweiten Weltkrieges ab und zeichnet daher ein sehr interessantes Bild der Entwicklung der kriegsbedingten Ereignisse und Veränderungen ansich, insbesondere aber auch von der Einstellung der Menschen. Er zeigt was Krieg mit den Menschen macht und was es für ihr Leben bedeuten kann und berücksichtigt dabei auch Schicksale außerhalb des Hofes. Ich habe den Krieg nicht erlebt, aber auf mich macht es einen sehr realistischen Eindruck. Untermauert wird dies dadurch, dass die Geschichte von wahren Begebenheiten inspiriert wurde.

Durch Titel, Covergestaltung und Klappentext hatte ich einen etwas anderen Eindruck von der Geschichte. In "So weit die Störche ziehen" werden teilweise! einige Folgen des Krieges recht ungeschönt und direkt thematisiert. Ich fand das großartig und wichtig, denn schließlich liest man einen Roman über den Krieg, aber man sollte sich vielleicht darauf einstellen können. Aufgrund der oben genannten Aspekte habe ich eine etwas seichtere Geschichte erwartet. Auch die Liebesgeschichte steht meiner Ansicht nach nicht im Vordergrund, vielmehr geht es um die Entwicklung von Dora und ihren durch den Krieg geprägten Lebensweg. Ich persönlich fand das viel eindrucksvoller! Die Liebesaspekte des Romans haben mir meist aber sehr gut gefallen und ich fand Einiges an der Umsetzung sehr realistisch, was mir sehr zugesagt hat. Ein großer Pluspunkt ist auch, dass die Liebesgeschichte in vielerlei Hinsicht nicht vorhersehbar ist.

Das Leben auf dem Gutshof wird im Roman einmal als Insel beschrieben. Ich finde die Persepktive sehr interessant gewählt. Wir haben keinen Protagonisten an der Front, in einer Großstadt o.Ä., dennoch dringt dieses Leid und das allgemeine Leid des Krieges auch auf diese "Insel". Graw verdeutlicht was Krieg bedeutet haben muss. Beispielsweise Schicksale von der Front werden aber auch berücksichtigt, allerdings aus Doras Perspektive. Wir erfahren was sie darüber erfahren hat, was ich gelungen ausgesucht finde.

Anfänglich habe ich den Sinn von etwa 2-3 kleinen Szenen nicht ganz verstanden, aber rückblickend schaue ich etwas anders auf den Anfang. Vielleicht hätte aber auch schon beim ersten Lesen nicht der Eindruck einer unnötigen Szene entstehen sollen, auch wenn es sich hier nur um Kleinigkeiten handelt. Ich freue mich schon darauf den Roman irgendwann nochmal zu lesen und dann anders über die entsprechenden Szenen zu denken.

- Spannungsaufbau & Romanende -
Am Anfang war es mir noch etwas zu langatmig, aber der Roman nahm dann ordentlich an Geschwindigkeit und Spannung auf. Kurz vor der Mitte des Buches bis zum Ende hin war es so spannend, dass ich es kaum weglegen konnte. Ich habe mich sogar ein bisschen gespoilert als ich ein paar Tage keine Zeit zum Weiterlesen hatte und die letzten 250 Seiten habe ich an einem Tag gelesen. Da hieß es nur "Ich hab keine Zeit, ich muss weiterlesen. Das Buch ist so spannend!" So eine langanhaltende Spannung bei einem Buch habe ich wohl noch nie erlebt. Die Spannung kam auch dadurch, dass der Roman sehr ereignisreich wird. Den Anfang hätte man vielleicht auch etwas verkürzt darstellen können. Die extreme Spannung im Großteil des Romans hat meine Kritik zum Anfang ziemlich in den Hintergrund rücken lassen. Vom Ende habe ich nach dem großartigen Teil davor etwas mehr erwartet, ich fand es aber dennoch gelungen. Gewünscht hätte ich mir an dieser Stelle auch etwas mehr Raum für den letzten Teil. Ich denke das hätte der Geschichte gut getan, es wirkte ein bisschen übereilt auf mich.

- Schreibstil -
Besonders anfänglich habe ich den Schreibstil teilweise als zu detailreich und zu beschreibend empfunden. Ein bisschen mehr show statt tell hätte meiner Meinung nach der Geschichte gut getan, besonders zum Anfang. Manchmal kamen mir die eingegliederten Infos auch etwas zu sehr wie Infodump vor, auch dies gilt eher für den Anfang. Ich bin unsicher, ob sich meine Meinung oder der Stil schließlich verändert hat, aber nach einigen Kapiteln fand ich den Schreibstil toll. Er ist wahnsinnig atmosphärisch, was bei dieser Art von Geschichte Einiges bewirkt! Er ist zudem eindringlich und spannend und schafft es trotz Er-/Sie-Perspektive sehr gut Doras Wesen zum jeweiligen Zeitpunkt zum Ausdruck zu bringen, was ihre Wesensveränderung perfekt unterstreicht. Etwas schade fand ich, dass manche Szenen nicht chronologisch erzählt wurden. (Damit meine ich vom Prinzip her sowas: Sie ging aus dem Haus. Sie kam wieder. Als sie unterwegs war ist xy passiert.) Ich finde dadurch geht etwas Spannung und Lesefluss verloren, war aber nicht extrem.
Die Dialoge haben mir leider oft/teils nicht so zugesagt, da ich sie manchmal etwas zu gestellt fand und daher nicht wirklich greifen konnte. Für mich ging daher an manchen Stellen z.B. auch etwas Romantik verloren, da mich die Gefühlsausdrücke in manchen Szenen nicht ganz überzeugen konnten.
Aber trotz der genannten Kritikpunkte fand ich den Schreibstil toll und super passend für eine Geschichte wie diese.

- Figuren -
Dora als Protagonistin war mir am Anfang teils etwas zu unsympatisch. Ich denke aber, dass dies auch so angelegt war, ich finde es trotzdem etwas heikel einen Protagonisten zu Beginn so zu zeigen und hätte es persönlich ein bisschen abgeschwächt. Ihre nicht perfekte Art hat aber natürlich die Identifikation mit ihr vereinfacht. Dora verändert sich recht stark und ich konnte mich schließlich schnell sehr gut mit ihr identifizieren. Ich denke ich hätte an einigen Stellen ähnlich (über den Krieg) gedacht. Die starke Identifikation mit ihr ist ein weiterer Pluspunkt. Ihre sehr gelungen ausgearbeitete Entwicklung mitzuerleben war total interessant, besonders auch rückblickend. Manche Figuren hätten vielleicht noch etwas mehr Farbe vertragen können, aber ich denke das ist sehr subjektiv und jeder hat andere Lieblingsfiguren.

- Fazit -
Ich bin ein recht kritischer Leser, was aber nicht heißt, dass mich Bücher trotz Kritikpunkten nicht begeistern können. Und dieses fand ich grandios! Es hat mich wirklich noch positiv überrascht und nachhaltig beeindruckt. Die Thematik wurde sehr gelungen und vielseitig umgesetzt. Die Geschichte regt definitiv zum Nachdenken an, was meiner Meinung nach wichtig ist bei einer Thematik wie dieser. Es ist eine Geschichte, die mir nicht so schnell aus dem Kopf gehen wird.
Am Anfang habe ich bei der Bewertung zwischen 3 und 5 Sternen geschwankt, aber nachdem die Geschichte richtig an Fahrt aufgenommen hat, war es für mich schnell recht eindeutig, dass dies ein 5-Sterne-Buch wird. Es sind für mich keine 5,0 wegen den oben genannten Aspekten, die ich als kleine Schwächen empfunden habe, aber der Großteil des Buches war einfach großartig für mich und daher vollkommen verdiente 5 Sterne. Ein großes Lob an die Autorin an dieser Stelle und allen LeserInnen viel Freunde beim Erfahren dieser Geschichte.


Ich bedanke mich herzlich beim Ullstein-Verlag und vorablesen.de für das Rezensionsexemplar. Diese Tatsache hat keinen Einfluss auf meine Bewertung.