Hart, ehrlich, bewegend

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Ich habe das Buch mit großer Vorfreude in die Hand genommen und angefangen zu lesen, geriet aber direkt auf der ersten Seite ins Stocken: Der Schreibstil war ziemlich simpel und es ging um Nichtigkeiten. Auf der Rückseite wird der Roman mit Vom Winde verweht verglichen und ich hatte ein mulmiges Gefühl, ob das gut gehen kann. Dies sollte ein bedeutender Historienroman über den zweiten Weltkrieg werden? Die ersten Seiten, in denen es nur um Damengarderobe und ein neues Pferd auf dem Hof der Protagonistin geht, haben mich skeptisch gemacht.

Nun gut, ich las also Seite um Seite weiter und lernte die Protagonistin, die ganz genau weiß, was sie will, besser kennen. Sie ist unheimlich stark und auch wenn sie zu Anfang etwas verwöhnt wirkt, ist sie keineswegs nervig, sondern ein angenehmes Medium, um diese Welt in Ostpreußen zu erkunden.
Tja, und so langsam hab ich da auch schon den detailverliebten Schreibstil der Autorin zu schätzen gelernt. Wenn ich oben schreibe, dass er simpel ist, meine ich nicht, dass er oberflächlich und sprachfaul ist, sondern dass er auf Ausschmückungen verzichtet. Positiv ist mir aber auch aufgefallen, dass er an die sprechenden Personen und ganz besonders an die Zeit angepasst wurde. Und ganz wichtig: Er hat es geschafft, dass das Fass zu brodeln anfing: Man kennt die Geschichte ja und dass das friedliche Leben in Ostpreußen von 1939 so nicht weiter gehen konnte, lag auf der ersten Seite auf der Hand.

Die Spannung und das Warten haben sich ausgezahlt: Nach einem guten Viertel des Buches jagte ein geschichtsträchtiges Ereignis das nächste und wurde glaubwürdig mit Doras Leben verwoben. Nicht selten saß ich entsetzt da, legte das Buch weg und konnte kaum glauben, was da gerade passiert war. Die Autorin nimmt wirklich kein Batt vor den Mund und beschönigt die Ereignisse nicht.
Wer dieses Buch zur Hand nimmt, sollte deswegen nicht all zu empfindlich sein. Mich hat die Geschichte auf jeden Fall berührt und sie hat auch mein Interesse geweckt, mich noch mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Sonst liest man Geschichten über den zweiten Weltkrieg oft aus der Perspektive jüdischer Familien oder welcher aus dem Westen. Hier mal eine ganz andere, schicksalsträchtige Perspektive.

Weswegen ziehe ich einen Stern ab? Eben wegen dem schwierigen Anfang und weil es hin und wieder aufgesetzt wirkte, wie die Autorin historische Fakten in die Geschichte eingebunden hat. Als sollte es ein Lehrbuch sein... Letztendlich bin ich aber dankbar dafür, weil ich tatsächlich noch viel gelernt habe. Ich kann das Buch auch jüngeren Lesern, die in das Genre erst einsteigen, empfehlen. Zu jung solltet ihr aber auch nicht sein, weil es auch manchmal hart zu lesen ist, was den Menschen und Tieren widerfährt.

Und die Liebesgeschichte? Kann sie sich mit Vom Winder Verweht messen? Also erst einmal spielen mehrere Liebesgeschichten eine Rolle. Und zum anderen wurde sie nicht absolut in den Vordergrund gedrängt. Die Parallelen zu dem großen Klassiker liegen tatsächlich auf der Hand. Krieg, große Umbrüche und Kriesen und zwei Menschen, die füreinander bestimmt sind. Aber was das angeht, würde ich sagen, dass dieses Buch weniger episch und dafür realitätsnaher ist.