Späte Charakterentwicklung

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Wir lernen die Protagonistin Dora Twardy am Vorabend des Krieges kennen, als sie jung, unbedarft und lebenshungrig ist. Doch mit Beginn und Fortschreiten des II. Weltkriegs verdunkelt sich auch der Himmel über Dora und sie muss aus ihrer heilen Welt aufwachen, wenn sie den Gutshof und ihre Familie retten will.
Dora ist die Protagonistin für diese Familiengeschichte: Sie ist jung, schön, mutig und unerschrocken. Die Welt liegt ihr zu Füßen und dementsprechend sorglos geht sie durch diese. Die Charakterentwicklung setzt bei Dora allerdings recht spät ein. Zunächst hat mich das gestört, weil sie sehr unbedarft und teilweise völlig naiv in Bezug auf den Krieg und seine Geschehnisse reagiert. Allerdings passt diese Verhalten zu den geschichtlichen Umständen recht gut, denn es wurde durch das Reichspropagandaministerium alles unternommen, um eine Panik zu verhindern und die Bürger schön bei der Stange zu halten. Auch wollten damals viele die miserable Situation gerade in Ostpreußen nicht wahr haben und verhielten sich ähnlich wie Dora. Ihre Naivität in manchen Situationen war für mich teilweise schwer zu ertragen, aber auch das liegt sicherlich an dem Wissen, mit dem ich heute auf diese Zeit blicke.
Der Schreibstil war schlicht und gut zu lesen. Die Ausdrucksweise war angenehm und emotional nicht zu aufgeladen. Dennoch haben mich gerade die Schilderungen des letzten Kriegsjahres sehr bewegt.
Die Handlung war durchweg interessant und spannend und man merkte die gut 600 Seiten gar nicht, weil man so gefesselt war. Zumal der erste Teil auch sehr von Doras Liebesleben geprägt ist und dem hin und her zwischen zwei Männern. "Ernst" in Bezug auf die Kriegsschilderungen wird es erst im dritten Abschnitt des Romans. Da war es dann aus mit der Unbeschwertheit, wobei ich das nicht weniger gern gelesen habe. Bei manchen Szene (z. B. der in der Scheune mit den Russen) hätte ich mir eine genauere Schilderung des Grauens gewünscht, um nichts zu beschönigen oder der Fantasie zu überlassen. Die Autorin war hier gnädiger mit uns als ich es gewesen wäre.
Alles in allem hat das Buch für mich die Entwicklungen gut wiedergegeben. Ich konnte die lange Unbeschwertheit und den plötzlichen Wandel ins komplette Gegenteil letztendlich gut nachvollziehen und war beim Lesen nie gelangweilt.
Fazit: ein sehr kurzweiliger Roman mit starker Protagonistin!