Ernstes Thema, verpackt in einer bewegenden Geschichte

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meike Avatar

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„So wie du mich kennst“ erzählt die Geschichte der beiden Schwestern Marie und Karla. Nachdem Marie bei einem Unfall in New York ums Leben kommt, fliegt Karla dorthin, um Maries Wohnung auszuräumen und Abschied zu nehmen. Karla ist von Trauer gelähmt und fühlt sich einsam. Sie hat nicht nur ihre geliebte Schwester verloren, sondern sich auch vor Kurzem von ihrem langjährigen Freund getrennt und beginnt nun, ihr Leben zu hinterfragen. Dann entdeckt sie, dass Maries Nachbarn ein dunkles Geheimnis haben – und Marie anscheinend davon wusste! Nun steht Karla vor einer großen Verantwortung und versucht einerseits, Kontakt zu Maries Nachbarin aufzubauen und andererseits, ihren Platz in der Welt neu zu finden.

Die Geschichte wird abwechselnd von Karla und – in der Vergangenheit – von Marie erzählt. Die beiden Schwestern standen sich sehr nahe und haben, obwohl ein Ozean sie trennte, stets engen Kontakt gehabt. Doch Marie hat eine sehr unglückliche Zeit hinter sich, für die sie sich schämt und die sie mit niemandem, noch nicht einmal ihrer Schwester, geteilt hat. Im Laufe des Romans erfährt man immer mehr, mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatte. Und auch, wie sie schließlich begonnen hat, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, bevor ihr Leben so ein tragisches Ende nahm.

Der Schreibstil ist sehr angenehm und zu lesen und ich bin gern in das Leben von Marie und Karla eingetaucht, die mir beide sehr ans Herz gewachsen sind. Man erfährt immer mehr von bisherigen Erlebnissen in der Vergangenheit der beiden Schwestern und kann sich so puzzleartig sein Bild zusammensetzen. Es ist keine rasante Geschichte, in der ständig etwas passiert, sondern eher ein tiefgründiger Roman, der sich auch mit den Alltäglichkeiten des Lebens auseinandersetzt. Ich hatte das Gefühl, dass die Autorin die Charaktere hier sehr authentisch beschreibt und habe mich selbst auf der ein oder anderen Seite wiedererkannt.

Die Erzählung ging mir zudem sehr nahe und das ernste Thema Gewalt wird hier auf eine feinfühlige Art behandelt. Allerdings habe ich das Gefühl, dass man vom Cover und Rückentext nicht genug auf dieses doch sehr sensible Thema vorbereitet wird und hier einen ganz anderen Roman erwarten könnte. Worin das Geheimnis von Maries Nachbarn besteht und was es mit ihrer eigenen Vergangenheit auf sich hat, deutet sich schon früh an und im mittleren Bereich des Romans entsteht eine gewisse Länge. Hier hätte die Geschichte gerne etwas temporeicher erzählt werden können. Zudem bin ich bezüglich des Romanendes hin und hergerissen: Es ist schön geschrieben und passt gut zur Geschichte. Die Wendung mit Maries Mutter (welche sich auch schon recht früh andeutete!) hielt ich jedoch für nicht unbedingt nötig und ich finde es schade, dass Marie ihre Vergangenheit mit ins Grab nimmt (ich habe hier zum Beispiel erwartet, dass Karla vielleicht Maries Therapeutin aufsuchen würde, schließlich hatte ihre Schwester ihr von der Therapie erzählt). Doch alles in allem hat mir die Lektüre sehr gut gefallen und eindrücklich gezeigt, wie viel manche Menschen hinter einer Fassade zu verstecken wissen und wie wenig wir doch manchmal von unseren engsten Kontakten wissen. Umso wichtiger, stets mit offenem Herzen aktiv zuzuhören!

Mein Fazit: Ein insgesamt gelungener Roman um ein sehr ernstes Thema mit authentischen Charakteren!