Greifbare Trauer

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steffmcfly Avatar

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Karlas Welt wurd aus den Fugen gerissen. Ihre Schwester und beste Freundin Marie ist durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Von der einen auf die andere Sekunde scheinen alltägliche Dinge nicht nur nichtig, sondern auch unüberwindbar zu sein. Denn was bleibt Karla, wenn Marie nicht mehr bei ihr ist?
Schweren Herzens begibt sie sich auf den Weg nach New York, um Maries Wohnung aufzulösen. Was zunächst einfach klingt, nimmt viel mehr Kraft in Anspruch als gedacht. Und dann stößt Karla auch noch auf einen Ordner, dessen Bilder sie nicht mehr aus ihrem Kopf verbannen kann.

Die Geschichte wird hauptsächlich aus Karlas Sicht erzählt – eine Mischung aus Gegenwart und Erinnerungen. Hin und wieder mischen sich ein paar Kapitel aus dem Blickwinkel von Marie aus der Vergangenheit hinzu, was nicht nur Karla eine unfassbare Tiefe gibt, sondern auch Maria anfassbarer macht, obwohl sie nicht mehr da ist.

Karlas Charakter ist so rund und authentisch, dass ich sie mir bildlich vorstellen, ihre Handlungen und Gedanken nachvollziehen und ihre Emotionen fast schon spüren konnte. Man merkt auf jeder einzelnen Seite, wie sehr sie unter dem Verlust leidet, ihre Schwester vermisst und sich zunächst kein normales Leben mehr vorstellen kann.
Am spannendsten fand ich ihre Entwicklung. Auch auf den folgenden Seiten wird der Verlust nicht leichter, dennoch lernt sie, von Tag zu Tag besser damit umzugehen, Rückschläge geschehen zu lassen und zu begreifen, dass die Welt sich weiter dreht – auch ohne Marie.

Auch die Randcharaktere haben mir sehr gut gefallen. Lynn, die Marie ebenso sehr nah gestanden hat. Cole, der für Karla erst ein Fremder, später aber die treibende Kraft ist. Max, der aus der Ferne unterstützt und eine Art Heimathafen symbolisiert. Die Eltern, die immer greifbarer werden und am Ende nochmal für Vergangenheitsaufklärung sorgen. Jeder Charakter verfolgt eine bestimmte Rolle, sodass keiner von ihnen unnötig oder konstruiert wirkt.

Der Schreibstil ist so unglaublich feinfühlig, dass ich die Trauer durch jede Seite hinweg spüren kann. Jede Emotion in mich aufsaugen und sie am eigenen Leib empfinden kann.
Für mich wurde die Balance zwischen der Haupthandlung und Details, die es nicht zwingend notwendig braucht, aber dennoch erlebbarer machen, perfekt eingehalten.

Ein Buch, das für mich alles hatte. Ich wollte gar nicht, dass es endet, aber auch nach der letzten Seite beschäftigt es mich schon seit mehreren Tagen.
Auf jeden Fall mein Lesehighlight 2021!