Sanfte Worte erzählen von harten Schicksalen

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Karla und Marie. Marie und Karla. Zwei Schwestern voller Liebe zueinander. So unterschiedlich wie Tag und Nacht. Doch am Leben ist nur noch Karla.

Das Buch startet ohne Umschweife mit dem Auslöser der gesamten Geschichte, welcher sich wie ein roter Faden hindurch ziehen wird: Marie kommt nach Hause in die Provinz - getragen von ihrer Schwester Karla in einer Urne. Marie lebt nicht mehr. War es ein Unfall? War es Suizid? Und wenn ja, warum sollte Marie den Freitod wählen?

Bereits hier fällt auf wie gekonnt Anika Landsteiner mit Worten umgeht. Die Story startet in einem lockeren Lesetempo und Ton, der einen sofort abholt und mitnimmt. Sie versucht nicht krampfhaft den Leser an die Hand zu nehmen. Sie bittet nicht darum, sondern tut es einfach und konfrontiert ihn sofort mit einem, für viele unangenehm empfundenen, Thema: Tod & Trauer.

Frau Landsteiner zeigt uns die verschiedenen Facetten einer Trauerbewältigung wie sie auch real stattfinden kann. Sei es das Putzen zur Ablenkung, das Schweigen oder der Kampf mit sich selbst. Auch das Loslassen einer geliebten Person findet hier Platz, indem Karla zurück nach New York fliegt um die Wohnung ihrer Schwester aufzulösen - und den Fragen ihres plötzlichen Ablebens auf den Grund zu gehen.

Marie hatte Geheimnisse, die sie nicht schaffte zu teilen. Einblick in Maries Leben Erhalt der Leser aver nicht nur, durch die Anreise von Karla, sondern, vor Qllem dadurch, daß Marie selbst ihre Vergangenheit erzählt und uns mitnimmt. Dieser Aspekt hat mich besonders erfreut, denn ich hatte nicht damit gerechnet auch aus der Sicht von Marie etwas lesen zu dürfen.

Ich war und bin nach wie vor erstaunt wie sanft Anika Landsteiner auf die herrschenden Thematiken in diesem Buch einging, ohne die Leser*innen abzuschrecken. Viel mehr regt sie zum Denken an und schleicht sich tief in unsere Seele. Erweckt Mitgefühl und öffnet uns die Augen, macht uns betroffen.

Meinem ersten Impuls nachgehend hätte ich dem Buch keine volle Punktzahl gegeben. Viele Fragen blieben offen. Doch nach reichlicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass es genauso passt wie es ist! Es spiegelt die Realität in voller Gänze - etwas, dass nicht viele Romane schaffen.

Denn sind wir mal ehrlich zu uns selbst: Wissen wir alles über uns geliebte Menschen? Haben wir auf alles eine Antwort gefunden über eine Person die uns für immer verließ? Haben wir nicht vielleicht sogar selbst Gedanken & Geheimnisse die mit uns sterben werden? Die nie ausgesprochen sein werden?

Ich kann nicht ein Buch dafür loben, dass es so nah an der Realität ist um ihm hinterher Punkte dafür abzuziehen, dass es meine Fragen nicht alle vollständig klärt, denn so läuft auch das Leben nicht.


Anika Landsteiner lässt uns Spielraum für eigene Vermutungen und unsere eigene Sicht auf die Dinge. Ich möchte dieses Buch jedem empfehlen, der sich auch mit ernsteren Themen befassen möchte in einem lockeren und verständlichen Schreibstil.