Schwesternliebe

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borgeli Avatar

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Karla und ihre jüngere Schwester Marie waren sowas wie Seelenverwandte. Sehr behütet sind sie in einer dörflichen Gemeinschaft aufgewachsen. Im Erwachsenenalter blieb Karla im gewohnten Umfeld nahe ihrer Eltern während Marie sich in einen Amerikaner verliebt hat und mit ihm in seine Heimat gezogen ist. In allem was wir an Gedanken von Karla lesen wird klar, wie sehr sie sich mit ihrer kleinen Schwester verbunden fühlte und dass deren Wegzug und auch die Wahl ihres Ehemannes für Karla nicht leicht zu akzeptieren war.

Doch nun ist Marie tot. Die Umstände ihres Unfalls sind rätselhaft, die Eltern und Karla fassungslos in ihrer Trauer. Gemeinsam beschließen sie dass nach der Beerdigung Karla nochmal nach New York fliegt um sich dort um die persönlichen Dinge Maries zu kümmern und den Hausstand aufzulösen. Vor Ort in Maries Wohnung wird Karla mit Erinnerungen an Gespräche und gemeinsame Erlebnisse mit Marie überflutet. Sie spürt deren Leben nach, trifft ihre Freunde. Aber mit der Auflösung der Wohnung kommt sie kaum weiter, so viele Dinge die sie über Marie entdeckt sind lähmend und verstörrend. Besonders schmerzhaft ist, dass Karla erkennt, dass ihre kleine Schwester ihr doch nicht alle Geheimnisse ihres Lebens anvertraut hatte. Durch ihre häufigen Telefonate und ein paar gemeinsame Wochen in New York hatte sie bisher immer den Eindruck, alles über Marie zu wissen.

Ich fand es ein gelungenes Stilmittel, dass Marie zu großen Teilen selbst zu Wort kommt. So erfahren wir Leser deutlich mehr von Marie und was sie in den letzten Jahren durchgemacht hat als es ihre Schwester im Nachhinein erforschen könnte. Eine ruhig erzählte, traurige Lebensgeschichte die es auch gut verträgt, dass nicht alle Geheimnisse und offene Fragen geklärt werden.