Wunderbares Jugendbuch mit Sogwirkung

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kleinfriedelchen Avatar

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"Es ist wichtig, dass du weißt, warum und genau wie alles passiert ist. Irgendjemand muss es wissen - irgendwem könnten die Informationen nützen, damit er nicht dieselben Fehler wie ich macht. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Hör dir meine Geschichte an." (S. 14)

Auf dem Irving-Internat ist es Tradition, dass der Vorbewohner des Zimmers seinem Nachfolger ein Geschenk hinterlässt. Und so ist Duncan unheimlich gespannt, was auf ihn wartet. Doch mit nichts hätte er weniger gerechnet, als mit den selbstbesprochenen CDs, die ihm der Albino Tim hinterlassen hat. Darauf erzählt Tim von seinem letzten Schuljahr an der Irving und wie er sich in die bildschöne Vanessa verliebt hat. Und wie es zu dem tragischen Unglück gekommen ist, das nicht nur Tims Leben für immer verändert, sondern auch Duncan beeinflusst hat...

Was für ein schönes, stilles, berührendes Buch! Die Geschichte, die abwechselnd von Tim und Duncan erzählt wird, hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Dabei ist es keine überaus dramatische Handlung, die so fesselnd ist, sondern vielmehr die Gesamtheit aus ungewöhnlichen Charakteren und dem Geheimnis, welches Tim uns hier langsam enthüllt.

"Die Tragödie" soll das Thema des Schulaufsatzes sein, den Duncan am Ende des Jahres abliefern muss - eine Tradition an der Irving. Und Tim meint, Duncan mit seinen Aufzeichnungen über die Geschehnisse des vergangenen Jahres die perfekte Grundlage für den Aufsatz zu liefern. Man ist also von Anfang an vorgewarnt und weiß, dass irgendetwas Schlimmes passieren wird. Was das genau ist, bleibt lange Zeit im Dunkeln, auch wenn immer wieder Andeutungen gemacht werden. So hat die Geschichte eine unheimliche Sogwirkung auf mich ausgewirkt. Wie auch Duncan konnte ich mich Tims Geschichte nicht entziehen und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht und was nun genau vor einem Jahr geschehen ist. Und so wie Duncan an den CDs habe ich an den Seiten geklebt. Dabei passiert zunächst erstmal gar nichts Dramatisches, auch wenn man die Tragödie schon erahnen kann, die sich schleichend anbahnt.

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag erzählt eine tiefgründige Geschichte über die erste Liebe, über Mobbing und darüber, ein Außenseiter zu sein - ernste Themen, die die Autorin sensibel behandelt. Das Buch glänzt mit authentischen Charakteren, die man einfach gerne haben muss. Als Albino ist Tim es gewöhnt, dass ihn alle Leute anstarren und für einen Freak halten. Kein Wunder, dass er sich gleich zu der hübschen Vanessa hingezogen fühlt, der sein andersartiges Aussehen egal zu sein scheint. Aber Vanessa hat einen Freund. Und der ist gar nicht begeistert von Tims Gefühlen. Das alles erfährt Duncan über die Tonaufnahmen, von denen er sich kaum noch losreißen kann und darüber schon fast sein eigenes Leben vergisst. Duncan blieb etwas blasser, da Tims Geschichte im Vordergrund steht, aber auch er war ein sympathischer Erzähler, mit dem ich wirklich mitgefühlt habe.

Insgesamt war So wüst und schön sah ich noch keinen Tag ein ganz wunderbares, stilles Lesevergnügen mit großer Sogwirkung. Wer nach einem realistischen Contemporary Jugendbuch sucht, ist hier garantiert richtig.