Flucht oder Selbstfindung?

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marvin.e Avatar

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Der Roman „Sobald wir angekommen sind“ von Micha Lewinsky hat mich durch seine vielschichtige und komplexe Schilderung der inneren Unzufriedenheit des Hauptcharakters Ben Oppenheim gefesselt...und gleichzeitig genervt. Das soll aber keineswegs bedeuten, dass mit dem Roman keine gute Zeit hatte. Es ist nur so, dass ich mich häufig dabei ertappte, kopfschüttelnd Bens Gedanken und Handlungen zu folgen.
Bens fortwährende Bewunderung für Stefan Zweig zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Da mir Zweig im Vorfeld kein Begriff war, konnte ich diese Begeisterung nur schwer nachvollziehen, verstehe aber die Bedeutung für Ben.
Die komplexe Beziehung zu Bens Ex-Frau Marina gibt der Erzählung eine emotionale Tiefe und verdeutlicht gleichzeitig, dass Ben eigentlich überhaupt nicht weiß, was er wirklich möchte und häufig fremdgesteuert agiert bzw. reagiert. Denn da gibt es auch noch Bens aktuelle Freundin, die das emotionale Chaos perfekt macht.
Ben ist aufgrund seiner ständigen Selbstrechtfertigungen und gedanklichen Kreisläufe eine wirklich erschöpfende Gestalt, und dennoch glaubwürdig.
Die Themen Flucht, Identität und Selbstakzeptanz werden durch Lewinsky im Roman beeindruckend miteinander verknüpft. Lewinsky zeigt auf, dass es beim Ankommen häufig mehr um inneren Frieden geht als um einen tatsächlichen geografischen Ort.
Und wenn einem diese Geschichte dann doch nicht zugesagt hat, dann schmückt zumindest das wunderschöne Cover das eigene Bücherregal.