Mach’s wie Stefan Zweig
»Sobald wir angekommen sind« ist das Debüt des 51-jährigen Schriftstellers Micha Lewinsky, Sohn des ebenfalls im Diogenes-Verlag veröffentlichenden Charles Lewinsky, der manch einem vielleicht mit seinen Werken »Der Stotterer« oder »Der Halbbart« bekannt ist. Micha Lewinsky hat sich bis dato eher als Drehbuchautor einen Namen gemacht – eine Tätigkeit, die ganz evident auch sein prosaisches Schreiben beeinflusst, vor allem, was Aufbau und Szenengestaltung angeht. So besteht der Roman aus relativ kurzen, durchkomponierten Szenen und vielen Dialogen; ebenso entspricht der Umfang, etwas weniger als dreihundert Seiten, in etwa dem eines Spielfilms – und nicht zuletzt macht der Hauptprotagonist Ben Oppenheim im Laufe der Handlung eine Entwicklung gemäß einer »Heldenreise« durch, ein bewehrtes Dramaturgiekonzept, das jedem Drehbuchautor sozusagen in die Wiege gelegt wird. Ben Oppenheim hat mit zahlreichen inneren und äußeren Konflikten zu kämpfen: Da sind zum einen seine Eheprobleme bzw. eine Trennung im Schwebezustand, zum anderen eine Geliebte mit all ihren Ansprüchen, und dann sind da noch seine Rückenschmerzen, die bedrohliche politische Weltlage mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, und nicht zuletzt wächst sich in ihm eine jüdische Urangst immer weiter aus. Ein ziemliches Päckchen, das er da zu tragen hat. Doch es ist die Last des Durchschnittsbürgers, möchte man meinen – ja, Ben Oppenheim ist das Paradebeispiel des verunsicherten Individuums in der westlichen Gesellschaft. Und letztlich ergibt er sich einem infantilen Instinkt: Anstatt sich seinen Problemen zu stellen und sich am fordernden Zeitgeist zu behaupte, bricht er in einer überstürzten »Nacht-und-Nebel-Aktion« alle Zelte in seiner schweizer Heimat ab und flieht mit seiner Ex-Frau und seinen Kindern nach Brasilien, fortan wandelnd in den Spuren Stefan Zweigs (seinerzeit ebenfalls ein jüdischer Emigrant). Gerade diese Wendung und der damit verbundene Wechsel des Handlungsorts machen den eigentlichen Mehrwert dieser Geschichte aus, die bis dahin in der Spurrinne einer in Literatur und Film bereits in sämtlichen Varietäten aufgetischten und im Grunde banalen Beziehungs- und Alltagsgeschichte vor sich hin dümpelte. Die Exotik des brasilianischen Exils, das eine alltagsferne, geradezu abenteuerliche Erlebniswelt verspricht, durchwehen nun den Trott mit einem frischen Wind, was den Unterhaltungswert dieser Lektüre beträchtlich steigert. Doch auch in der Fremde kann sich Ben Oppenheim nicht von seinen Bürden befreien. Und er begreift, dass man vor manchen Problemen nicht davonlaufen kann.
Micha Lewinsky schreibt zugänglich und abwechslungsreich. Die Szenen sind kurz und auf den Punkt – genau wie in einem Film, wenngleich es keine Perspektivwechsel gibt. Durch die filmische Konstruktion ist der Roman nicht ohne Raffinesse, jedoch auf die ständige Gefahr hin, ab und an zu sehr ins Unterhalterische zu verfallen. An dieser Stelle melde ich mich jetzt mal ganz ungeniert mit einer bösen Zunge zu Wort und behaupte, der Roman offenbart so manche Analogie zu einem Til-Schweiger-Film, wenngleich uns ein ultrakitschiges Happy End zum Glück erspart wird. Aber natürlich gilt das nicht für den gesamten Roman. Denn im Großen und Ganzen verfolgt der Autor sehr wohl eine höher geistige Intention – es gehört zum Grundkonzept und wahrscheinlich auch zum eigentlichen erzählerischen Ansporn, dass sich die Charaktere, allen voran natürlich Ben Oppenheimer, immer wieder mit brandaktuellen Themen auseinandersetzen: Krieg, Rechtsruck, Umweltkatastrophen etc.. Dies ist kein Roman über verwegene Helden, sondern, wie bereits erwähnt, um ganz gewöhnliche Alltagsmenschen mit ihren Sorgen und Nöten. Sicherlich kein uninteressanter Ansatz, wenngleich es an der Umsetzung etwas hapert, denn neue Sichtweisen werden dadurch nicht erschlossen, nicht einmal im Ansatz. Trotzdem sendet der Roman eine klare Botschaft in Form einer nachdrücklichen Warnung: Denn am Ende steht die Erkenntnis, dass es vor den gewaltigen Krisenherden unserer Zeit keine Rettung gibt, da sie einem in jedes noch so ferne Exil verfolgen. In diesem Sinne lautet der klare Appell, sich dem Ernst des Lebens tapfer entgegenzustellen – weil es ja nichts nützt.
»Sobald wir angekommen sind« ist kein herausragender Roman, aber er unterhält für den Moment, liest sich süffig und langweilt auf keiner Seite, befriedigt jedoch beileibe keinen höheren literarischen Anspruch, weder inhaltlich noch sprachlich oder gedanklich. Trotzdem lohnt er einer Lektüre. Debütautoren haben es heutzutage schwer, da der Erfolg nur noch aus den USA importiert wird. Große Vermarktung junger Talente findet hierzulande (wie auch in der Schweiz) leider nicht mehr statt. Natürlich ist jetzt schon absehbar, dass aus Micha Lewinsky niemals ein ganz großer Literat werden wird – aber es braucht auch diese kleinen, unspektakulären, jedoch erfrischenden Bücher, die einfach gut unterhalten und doch dieses Quäntchen mehr bieten und zumindest den ein oder anderen Aspekt des Lebens auf ergötzliche Art und Weise reflektieren. So ein Roman ist Micha Lewinsky auf jeden Fall gelungen. Wer sich von geradezu unverschämten 25 Euro (!!!) für ein so schmales Büchlein nicht abschrecken lässt, sollte diesem Autor auf jeden Fall eine Chance geben.
Micha Lewinsky schreibt zugänglich und abwechslungsreich. Die Szenen sind kurz und auf den Punkt – genau wie in einem Film, wenngleich es keine Perspektivwechsel gibt. Durch die filmische Konstruktion ist der Roman nicht ohne Raffinesse, jedoch auf die ständige Gefahr hin, ab und an zu sehr ins Unterhalterische zu verfallen. An dieser Stelle melde ich mich jetzt mal ganz ungeniert mit einer bösen Zunge zu Wort und behaupte, der Roman offenbart so manche Analogie zu einem Til-Schweiger-Film, wenngleich uns ein ultrakitschiges Happy End zum Glück erspart wird. Aber natürlich gilt das nicht für den gesamten Roman. Denn im Großen und Ganzen verfolgt der Autor sehr wohl eine höher geistige Intention – es gehört zum Grundkonzept und wahrscheinlich auch zum eigentlichen erzählerischen Ansporn, dass sich die Charaktere, allen voran natürlich Ben Oppenheimer, immer wieder mit brandaktuellen Themen auseinandersetzen: Krieg, Rechtsruck, Umweltkatastrophen etc.. Dies ist kein Roman über verwegene Helden, sondern, wie bereits erwähnt, um ganz gewöhnliche Alltagsmenschen mit ihren Sorgen und Nöten. Sicherlich kein uninteressanter Ansatz, wenngleich es an der Umsetzung etwas hapert, denn neue Sichtweisen werden dadurch nicht erschlossen, nicht einmal im Ansatz. Trotzdem sendet der Roman eine klare Botschaft in Form einer nachdrücklichen Warnung: Denn am Ende steht die Erkenntnis, dass es vor den gewaltigen Krisenherden unserer Zeit keine Rettung gibt, da sie einem in jedes noch so ferne Exil verfolgen. In diesem Sinne lautet der klare Appell, sich dem Ernst des Lebens tapfer entgegenzustellen – weil es ja nichts nützt.
»Sobald wir angekommen sind« ist kein herausragender Roman, aber er unterhält für den Moment, liest sich süffig und langweilt auf keiner Seite, befriedigt jedoch beileibe keinen höheren literarischen Anspruch, weder inhaltlich noch sprachlich oder gedanklich. Trotzdem lohnt er einer Lektüre. Debütautoren haben es heutzutage schwer, da der Erfolg nur noch aus den USA importiert wird. Große Vermarktung junger Talente findet hierzulande (wie auch in der Schweiz) leider nicht mehr statt. Natürlich ist jetzt schon absehbar, dass aus Micha Lewinsky niemals ein ganz großer Literat werden wird – aber es braucht auch diese kleinen, unspektakulären, jedoch erfrischenden Bücher, die einfach gut unterhalten und doch dieses Quäntchen mehr bieten und zumindest den ein oder anderen Aspekt des Lebens auf ergötzliche Art und Weise reflektieren. So ein Roman ist Micha Lewinsky auf jeden Fall gelungen. Wer sich von geradezu unverschämten 25 Euro (!!!) für ein so schmales Büchlein nicht abschrecken lässt, sollte diesem Autor auf jeden Fall eine Chance geben.