Mann mit Charakterschwächen

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klaus_bücherfan Avatar

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Micha Lewinsky nimmt uns in seinem Roman „Sobald wir angekommen sind“ mit in das Leben von Ben Oppenheim. Die rd. 280 Seiten sind sehr gut geschrieben und lesenswert.
Ben lebt getrennt bzw. irgendwie getrennt von seiner Frau Marina und den beiden noch jüngeren Kindern. Er hat eine Freundin, Julia. An vielen Stellen des Romans wird betont, dass Ben jüdischen Glaubens ist. Hieraus resultiert auch - nach eigenem Bekunden - sein ausgeprägter Fluchtreflex. Tatsächlich ist Ben aber ein schwacher Charakter, der ungern Verantwortung übernimmt und dies meist seiner früheren Frau, seiner Freundin oder sonst wem überläßt. Er hat ein One-Roman-Wunder hingelegt, dies vor vielen vielen Jahren und bekommt seit dem als Schriftsteller nichts mehr auf die Kette. Allerdings sind seine Bemühungen auch überschaubar und enthalten nie etwas Neues. Er klagt lieber statt zu tun.
Aufgrund des sich nach seiner Einschätzung zu einem Dritten Weltkrieg ausufernden kriegerischen Konfliktes in Europa flieht er Hals über Kopf mit seiner Ex-Frau und den Kindern nach Brasilien. Seine Freundin ist ihm insoweit egal und er läßt sie zurück. Ben ist ein Opportunist und bedauert sich gern selbst. Dem Grunde nach ein unsympathischer Mensch, der weder die Arbeit noch richtige Konfliktfähigkeit gelernt hat. Gelegentlich tauchen seine Eltern, reich und wohlhabend, als Randfiguren auf. Da kann man erkennen, wo eines von Bens Problemen liegt.
Der Roman ist leicht zu lesen, bedient ein paar typische Klischees und ist gefällig. Jeder „Normale“ kann mit sich zufrieden sein und sich freuen, dass man nicht so wie Ben ist. Das ist ja auch etwas!
Eine Leseempfehlung! Das Buch verfügt über ein sehr schön gezeichnetes Cover, so wie üblich bei Diogenes.