Atmosphärische Erinnerungen an jene, die nicht mehr sind

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amadea Avatar

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Mit vielen einprägsamen Puzzleteilen setzt David Safier die Geschichte seiner Familie zusammen. Die Großeltern, polnische Juden, flüchten 1914, kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, vor den Pogromen nach Wien. Obwohl sie aus einem Landstrich kommen, der damals zur Habsburgermonarchie gehört, zählen sie hier als Ausländer und Jahrzehnte später tragischerweise auch zu den unschuldigen Opfern des nationalsozialistischen Rassenwahns. Der Großvater stirbt im KZ Buchenwald. Die Großmutter im Ghetto von Lodz.

Im Mittelpunkt des Buches steht anfangs Safiers Vater Joschi. Es war ein bewegtes Leben, das für ihn als Sohn eines armen Schneiders 1915 in Wien begann und 1997 in Bremen mit Selbstmord endete. Der Roman besticht durch seine Fülle an Details. Er schildert das Wien der Zwischenkriegszeit, Österreichs „Anschluss“ an das Deutsche Reich sowie den brutalen Antisemitismus, der von nun an die Stadt beherrscht.

Der Terror des Nazi–Regimes gipfelt für Joschi darin, dass er seine erste große Liebe verliert, das Studium gezwungenermaßen abbricht, von der Gestapo verhaftet wird, ihr aber durch eine schicksalshafte Fügung entkommt. Nach Monaten in einem Kellerversteck macht er sich schweren Herzens auf nach Palästina – zu seiner Schwester Rosl, der bereits die Flucht ins „gelobte Land“ gelungen ist.

Präzise und spannend entwickelt lässt uns Safier am weiteren Leben seines Vaters teilhaben. Gleichzeitig webt er nun als Doppelroman die Geschichte seiner Mutter Waltraud ein. Das Gedenken an die Familie wird zu einer Zeitreise durch viele Länder, Höhen und Tiefen. Es ist ein schonungsloser Roman über Verluste, Sehnsüchte, Ängste, über Aufstieg und Absturz ebenso wie von der tiefen Liebe der Eltern zueinander.

Lesen sie dieses Buch. Es berührt, macht nachdenklich und zugleich hoffnungsvoll, denn es ist trotz aller Tragik eine Hommage an das Leben. Selbst wenn immer wieder der Schmerz hervorbricht, beginnt stets auch etwas Neues!