Ein jüdisches Erbe

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strickleserl Avatar

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Der Drehbuchautor David Safier ist für seine humoristische Romane bekannt. Dieses Buch ist eher ernst. Obwohl er nicht viel mit seinen bereits verstorbenen Eltern über ihre Vergangenheit gesprochen hat, zeichnet er hier ein gelungenes Bild ihres Lebens.

Joschi ist zu Beginn des Krieges ein junger Mann, der mit seiner Familie in Wien lebt. Er genießt Frauenbekanntschaften, ist mitten im Studium und liebt seine Heimat. Doch dort wird es für seine jüdische Familie immer unangenehmer – und zum Schluss gar bedrohlich. Seinen Vater kann er nicht retten, und um sein eigenes Leben zu bewahren, muss er alles, was ihm lieb ist, zurücklassen.

In Palästina gelingt ihm ein Neuanfang, auch wenn ihn Schuldgefühle plagen. Warum hat er überlebt und so viele andere nicht? Seine innere Unruhe kann er selbst mit Alkohol nicht ertränken.

Zu Beginn des Krieges ist Waltraud noch ein kleines Mädchen. Sie erleidet schreckliche Bombennächte, die Angst um Bruder und Vater, die Zerstörung ihres Zuhauses. Als ihr Glück mit einem wunderbaren Ehemann und einer Schwangerschaft perfekt scheint, bricht alles auseinander.

Jahre später begegnen sich Joschi und Waltraud. Sie erleben zusammen die Nachkriegsjahre in Deutschland, bemühen sich um ein Einkommen für ihre wachsende Familie, ringen um eine gemeinsame Identität. Was bedeutet es in Deutschland Jude zu sein? Wie lebt man mit dem Schmerz und den Schuldgefühlen der Vergangenheit? Welches Erbe gibt man seinen Kindern weiter?

Es macht Spaß dieses Buch zu lesen. Auch wenn die Geschichte von Joschi und Waltraud nicht besonders außergewöhnlich ist, werden beide so gut beschrieben, dass man beim Lesen einfach wissen muss, wie es weitergeht. Ganz nebenbei erfährt der Leser dabei, wie ein kleines Kind die Schrecken des Krieges erlebt, was es bedeutet fast jeden in der Familie zu verlieren, und wie tragische Entscheidungen unser Leben erschweren können.

Persönlich stimme ich den Glaubensvorstellungen des Autors nicht zu. Die Frage wird gestellt: Wie kann Gott gleichzeitig gut und allmächtig sein, angesichts des unermesslichen Leides im Zweiten Weltkrieg? Warum hat er nicht eingegriffen? Das weiß ich auch nicht, und ich verstehe Gott nicht. Aber mir ist klar, dass der Schöpfer des Universums so unerklärlich für mich sein muss, so weit jenseits all meiner Vorstellungen, dass ich ihn nicht verstehen muss, um an ihn zu glauben und ihn zu lieben. Wie ein Kind, dass die großen Rätsel des Lebens dem liebevollen Vater überlässt, glaube ich fest daran, dass Gott gut und allmächtig ist, auch wenn ich sein Tun nicht begreife.

Fazit: Ich stimme dem Autor nicht bei allem zu, und doch finde ich dieses Buch so gut geschrieben und lesenswert, das ich es gerne weiterempfehle!