Eine eigentlich unwahrscheinliche Liebe

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Die meisten werden David Safier vermutlich von seinen humoristischen Büchern oder Arbeiten als Drehbuchautor kennen. In seinem neuesten Roman schlägt er aber einen ganz anderen Ton an. In „Solange wir leben“ erzählt der bekannte Autor die Geschichte seiner eigenen Familie. Im Mittelpunkt steht dabei die ungewöhnliche und unwahrscheinliche Liebesgeschichte seiner Eltern Waltraut und Joschi.

Safiers Eltern entstammen zwei gänzlich unterschiedlichen Lebenskreisen und Generationen. Fast scheint es, dass es bei ihnen kaum Gemeinsamkeiten gibt. Doch Liebe und Mut verbindet sie.
Als Leser*in durchleben wir nicht nur die ungewöhnliche Geschichte der Familie Safier, sondern schreiten mit ihnen durch Jahrzehnte deutscher politischer und gesellschaftlicher Zeitgeschichte, die auch unsere Eltern oder Großelterngeneration geprägt hat.

Joschi Safier und seine Schwester Rosl gehören zu den ganz wenigen Angehörigen ihrer weitverzweigten jüdischen Familie, die den Holocaust überleben. 1939 gelingt es ihnen, aus dem geliebten Wien nach Israel zu emigrieren. Gleich muss Joschi dort für die neue Heimat mit der Waffe in der Hand kämpfen. Später fährt er zur See, wo ihn der Zufall nach dem Krieg in Bremen an Land gehen lässt.

Das Schicksal lässt ihn auf die junge alleinerziehende Witwe Waltraut treffen, 20 Jahre jünger als er. Sie ist ein bodenständiges Kriegskind, das hart und selbstbewusst gelernt hat, ums Überleben zu kämpfen. Das ist der Anfang einer großen, ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Schon einmal, in Wien, hat Joschi alles aufgegeben, Heimat und Pläne, und tut es erneut. Dieses Mal nicht wegen der Nazis, sondern der Liebe wegen. Ausgerechnet ins Land der Täter muss er dafür gehen.

Sehr berührend und außerordentlich ehrlich schildert Safier die schönen und auch sehr schwierigen, tragischen und heftigen Zeiten und Krisen dieses Paares, mit allen Sorgen und Nöten. Denn das Schicksal meint es oft nicht gut mit der Familie. Ihr Leben ist ein ständiges Auf und Ab bis zum Ende, das einen nicht kalt lässt.

Fazit
Safier erzählt seine Geschichte chronologisch mit gelegentlichen Sprüngen in der Zeit. So führt sie uns von 1937 bis ins Jahr 2005. Der bildreiche und lebendige Stil nahm mich gleich von den ersten Seiten mit. Das so authentisch, feinfühlig und sehr liebevoll geschilderte Schicksal der Familie lässt einen als Leser nicht los und berührt sehr. Obwohl der Autor selber als Familienmitglied in der Handlung erscheint, bleibt diese Figur sehr bescheiden am Rande.

Seine Eltern sind Safier förmlich als Romanfiguren geschenkt worden. Man hätte sie sich kaum besser ausdenken können. Ihre Charaktere werden sehr einfühlsam geschildert. Mal wird aus Joschis, mal aus Waltrauts Perspektive erzählt. Zur leichteren Orientierung wurden dafür leicht unterschiedliche Schriftarten im Druck gewählt. Während Joschi schon an Flucht denken muss, wird Waltraut gerade erst geboren. Das führt uns die Erzählweise ganz deutlich vor Augen.

Sehr schnell kann man mit Joschi und Waltraut mitfühlen. Joschi, der sich oft geleitet von Abenteuerlust, innerer Unruhe, aber auch mit Zweifeln durchs Leben treiben lässt. Dann Waltraut, die voller Tatkraft anpackt, aber auch durch das Scheitern an ihre Grenzen kommt.
Durch die Fotos der Familie auf den Coverinnenseiten hat man sie auch direkt vor Augen.

Ein bewegendes Thema, Figuren, die einem ans Herz wachsen, packend geschrieben. So einen Roman kann man nur empfehlen.