zeitgeschichte und biografisches geschickt miteinander verwoben

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blätterwald Avatar

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Wer Safier nur von seinen Bestsellern kennt, wird über dieses Buch mehr als überrascht sein. Er erzählt die Lebensgeschichte seiner Eltern nach. Geschickt macht er das auf zwei Erzählebenen, sowohl Joschi, sein Vater, als auch Waltraut, seine Mutter, bekommen je eine Ebene. Joschi ist Jude, wächst in Wien auf und ist 20 Jahre älter als seine spätere Frau Waltraut, die in Bremen groß wird und die Wirren des zweiten Weltkriegs als Kind miterlebt. Joschi kann noch vor den Nazis fliehen nach Palästina. Beide sind sie vorher schon verheiratet gewesen und der Zufall führt die beiden zusammen.
Der Erzählstil ist relativ sachlich mit den witzigen und nachdenklichen Momenten, welche erzählt werden. Schalk blitzt ebenso auf wie Trauer und Wut. Das Leben der Beiden ist nicht einfach gewesen und nicht von umsonst ist der Leitspruch seiner Mutter „Leben ist Leiden“. Joschi als Jude erlebt die aufkommende Naziherrschaft ebenso wie die Gründung des Staates Israel, während Waltraut in Bremen in mehr als ärmlichen Verhältnissen aufwächst, ebenso Entbehrung kennenlernt, nur auf eine andere Art und Weise.
Für viele klingt das sicher wenig spannend. Alles schon irgendwie erzählt und doch geht einem diese Geschichte nahe. Nicht nur, weil sie fast zu unwahrscheinlich klingt. Glück und Leid liegen hier so nahe beieinander und trotzdem gelingt des dem Erzähler, nie kitschig zu klingen, sondern er erzählt das alles aus einer Distanz, welche gerade den Reiz des Erzählstils ausmacht. Das muss einem erstmal gelingen, die Geschichte seiner Eltern zu erzählen und das ohne viel Pathos oder kindlicher Abwehrhaltung gegenüber der älteren Generation. Und was seine Eltern, erst jeder für sich und dann gemeinsam, erlebt haben, das muss manch einer erstmal aushalten können. Genau das sind die Geschichten, die so nur das Leben schreiben kann.
Respekt, das Safier dieses Buch schreiben konnte. Es ist wichtig, gerade in dieser Zeit, in der alles auseinanderbricht. Scheinbare, aber nicht wirklich existente, Gegensätze können überwunden werden. Und es heißt nicht umsonst „In guten wie in schlechten Zeiten“:
Ein absolut lesenswertes Buch, auch wenn es nicht die große Literatur ist. „Solange man an jemanden denkt, ist er nicht ganz tot.“