Spätsommerlektüre mit Schlangenbiss

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badwolf Avatar

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Die Leseprobe zu "Solange wir uns haben" hat mich von Anfang an begeistert, worauf ich mich für ein Exemplar hin beworben und glücklicherweise auch gewonnen habe. Vorweggenommen, ich bin von dem Buch, als ich es zu Ende gelesen hatte, auch in keinster Weise enttäuscht worden. Das lag zum einen daran, dass ich mich mit der Protagonistin ein wenig identifizieren konnte und zum anderen dass ich mal wieder so richtig Lust hatte einen leichten Roman zum diesjährigen Sommerabschluss zu lesen.

Jessica (42) ist eine alleinerziehende Mutter die tagtäglich zwischen zeitfressenden Job in der Werbebranche und ihrer trotzigen Teenangertochter einen Spagat hinlegt. Es ist aber auch wahrlich kein lockeres Leben. Der Mann liess sich nach einem Burnout scheiden und haute nach Brasilien ab, das Haus ist noch nicht abbezahlt, die Arbeit nimmt sie die meiste Zeit des Tages in Anspruch, ihr Chef nervt, in der Firma gibt es Intrigen, die Kunden fordern mehr als sie leisten kann und dann ist da auch noch die Teenietochter Miriam. Freunde? Fehl am Platz. Sowas brauchte man in Jessicas Augen nicht. Dafür hatte sie sowieso keine Zeit. Es wahr abzusehen dass sie dem Druck und Stress nicht lange standhalten konnte und sie entwickelte aus dem Nichts eine Angst und Panikstörung. Ich selbst kann aus eigener Erfahrung bestätigen das sowas von heute auf morgen dein ganzes Leben verändert und die Krankheit dich aus heiterem Himmel trifft. Auto fahren ist nicht mehr drin und ständig diese Angst, die dich lähmt und handlungsunfähig macht. Verständnis von Anderen kann man nicht erwarten (Reiss dich mal zusammen, stell dich nicht so an, du musst doch keine Angst haben etc.), es sei denn sie haben soetwas selbst erlebt. Nicht zuletzt muss man sich aber zu allererst selbst eingestehen das man eine Gehirngrippe hat und dann auch bereit sein Hilfe anzunehmen. So ging es auch der Protagonistin in dem Roman, die sich aus lauter Trotz, Schubladendenken und Pflichtbewusstsein nicht eingestehen wollte, das allein Tabletten das Problem nicht lösen.

Auch wenn es in dem Buch nicht zu detailiert in diese psychische Erkrankung geht, es ist ja auch kein Ratgeber, so bekommt man als Leser dennoch eine sehr gute Vorstellung von dem was zig Menschen tagtäglich durchmachen. Jessicas Erkrankung steht nicht ausschliesslich im Vordergrund, im späteren Verlauf wird sie sogar ein wenig zur Nebensache, aber das tut der Handlung keinen Abbruch. Die Entwicklung ihres Umfeldes, die neue Freundschaft zu ihrer Nachbarin und all das was sie noch erleben wird, ist so wunderbar locker und von Herzen geschrieben, dass man dieses Buch nicht mehr aus den Händen legen mag. Zumindest erging es mir so. Ich las den Roman beinahe an einem Tag durch.

Der Schreibstil ist flüssig und leicht, wirkt aber keineswegs plump oder unüberlegt. Viele ehr sanft, gar gutmütig, jugendlich und mit Herz. Hin und wieder tauchen hinter Jessicas Aussagen ihre, oft sarkastischen, Gedanken auf die in Klammern gesetzt wurden. Mich liess das schmunzeln, denn meistens dachte ich in jenem Moment das gleiche. (Ernsthaft jetzt?) Die Autorin schaffte es hier, einen kleinen Bezug mit Augenzwinkern zu ihrem Leser aufzubauen. Ich habe überlegt ob es sich wirklich zu zugetragen haben könnte was Jessica im Verlauf der Geschichte so alles erlebt und bin zu dem Entschluss gekommen - warum nicht? Nichts in diesem Buch wirkt an den Haaren herbei gezogen, nichts erfunden oder ausgedacht. Gut, vielleicht dass die Nachbarin mit 30 Katzen in einem Haus lebt.
Einen Spannungsbogen kann man nicht erwarten, vielleicht auf den letzten 30 Seiten des Buches. Jedoch einen Unterhaltungsbogen und der ist von Anfang an, meiner persönlichen Meinung nach, vorhanden. Was mir als Leser ebenfalls wichtig und wenn nicht sogar unabdingbar, man muss eine Bindung zu den Figuren aufbauen können. Symphatie, Abneigung etc. Ich mag Jessica und ich mag auch Hildegard - die Verrückte. Thomas, ihren Exmann - ich würde ihm einfach nur viel Erfolg für sein weiteres Vorhaben auf dem Weg der Erleuchtung wünschen, mehr hab ich für ihn nicht übrig. Er ging mir stellenweise auch ziemlich auf die Nerven. Leser des Buches werden mir eventuell zustimmen. Aber ich will nicht soviel vorwegnehmen.

Alles in allem also ein Buch was ich sehr gern gelesen habe und auch genauso gern weiterempfehle. Wenn man sich literarisch einfach treiben lassen möchte, ist man mit "Solange wir uns haben" bestens versorgt. Kurz noch was zur Covergestaltung. Ich bin froh dass ich mir die Leseprobe durchgelesen habe, denn das Cover sprach mich nicht sehr an. Es hat absolut keinerlei Bezug zur Geschichte und wirkt eher von einem Praktikanten erstellt als von einem Verlag die sich wirklich etwas dabei dachten. Denken sollten. Wirklich, ich dachte es geht in diesem Buch um eine kitschige Liebesgeschichte. Dafür kann die Autorin nichts und ich hoffe das sich viele andere Leser dem blau bunten Buch eine Chance geben, es umdrehen und den Klappentext durchlesen.