Ein Anfang oder ein Ende?

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kikii04 Avatar

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Familien sind eine komplexe Angelegenheit. Eigentlich gehört man zu ihnen, so wie Ellis Truman zu den Trumans gehört. Und doch ist Ellis zu anders als die Trumans. Zu dem Albreys, die Familie der drei Brüder Dixon, Tucker und Easton, wird Ellis oft automatisch dazugezählt. Jedoch hat Ellis auf eine schmerzhafte Weise lernen müssen, dass ihr Gefühl sie nicht täuscht: Ellis ist weder eine Truman, noch eine Albrey. Sie ist irgendwas dazwischen, und so musste sie ihre Heimat Indiana vor einem Jahr alleine verlassen, ihren Highschoolabschluss alleine meistern.
Und nun soll sie plötzlich doch wieder eine Albrey sein? Ellis würde die Einladung am Liebsten ignorieren, aber ihr Herz sehnt sich zu sehr nach zu Hause, nach Easton. Und so verbringt sie ein paar turbulente Tage zurück in Indiana und eines ist klar: Am Ende dieser Tage muss es einen klaren Schlussstrich geben. Und so stellt sich Ellis die Frage: Wird sie sich von ihrer Vergangenheit oder Heimat endgültig verabschieden?

Für den Leser bleibt es lange ein großes Rätsel, was vor einem Jahr vorgefallen ist. Noch immer ist Ellis voller Wut, Trauer und Enttäuschung. Trotzdem weiß sie:

„Easton ist eine Angewohnheit, die ich einfach nicht loswerde. Ein Gefühl, das ich nicht gehen lassen kann. Eine Wahrheit, die ich mir nur in meinen schwächsten Momenten eingestehe.“

Nur einen Albrey, Tucker, duldet Ellis noch an ihrer Seite. Aber wieso es genau er ist und was der Auslöser für all ihre Gefühle ist, das alles ist sehr komplex. Deshalb möchte ich nicht viel weiter auf den Inhalt eingehen, um auf keinen Fall zu viel zu verrate.

Die Geschichte ist aufgebaut wie eine Spirale. Ich wollte es zunächst als Kreislauf bezeichnen, doch diesen Begriff verwende ich eher, wenn ich sagen möchte, dass eine Geschichte immer wieder an denselben Ausgangspunkt gelangt. Wenn sich etwas bewegt und doch alles stehen bleibt. Bei SOME MISTAKES WERE MADE ist das jedoch anders. Dreh- und Angelpunkt des gesamten Romans ist ein bestimmter Konflikt, der jedoch lange ein Geheimnis bleibt. Auf dem Weg zu seiner Auflösung durchlebt Ellis ein Wechselbad der Gefühle. Hass, Anziehung, Abstoßung, Enttäuschung, Schmetterlinge, Vergebung, Anschuldigungen. Das alles taucht wieder und wieder in vertauschter Reihenfolge auf. Zugleich spitzt sich die Lage immer weiter zu. Mit jedem weiteren Gefühlsausbruch kommt man dem Kern des Problems näher. Und irgendwann ist es dann soweit.
Tatsächlich war ich positiv überrascht, wie lange die Autorin es schaffte, die Spannung zu halten und den Leser derart im Dunkeln tappen zu lassen. Doch bei der Auflösung denkt man sich dann: Na klar, wieso bin ich da nicht früher draufgekommen?! Was ich damit sage möchte: Der Konflikt in sich ist sehr stimmig. Er wirkt nicht konstruiert oder überdramatisiert.

Dennoch, und das möchte ich nicht unerwähnt lassen, hat das Buch seine Schwachstellen. Abwechselnd spielen die Kapitel in der Gegenwart oder in Ellis Kindheit und an diese Wechsel musste ich mich gewöhnen. Außerdem haben die Kapitel aus der Gegenwart einen deutlich überzeugenderen und packenderen Start hingelegt, als die Kapitel aus der Vergangenheit. Letztere waren zu Beginn einen Hauch zu langatmig, was womöglich an meinem Gefühl, die Rückblicke seien zu wenig pointiert, lag. So oder so fand ich es schade, denn Rückblicke lese ich grundsätzlich sehr gerne.

Abgesehen von diesen Phasen der Langatmigkeit, las sich das Buch wie ein Pageturner. Es liest sich flüssig, jedoch nicht unbedingt flott, denn der Schreibstil ist sehr poetisch. Du doch konnte ich SOME MISTAKES WERE MADE ab einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr aus der Hand legen und war vollkommen gefangen von dem Gefühlschaos. Ich wollte mehr darüber herausfinden, wie Ellis denn nun genau zu den Albreys steht. Ich wollte mehr von den unterhaltsamen Szenen mit Tucker und Dixon. Ich wollte mehr von den hitzigen Diskussionen zwischen Ellis und Easton, die zugleich berührend, spannend und sehr schmerzvoll zu lesen waren.

„Gedanken gibt es nicht umsonst. Und du hast nichts mehr, was ich will.“

Kristin Dwyer beschreibt SOME MISTAKES WERE MADE selbst als „zu Tinte und Prosa gewordener Traum“. Und ich glaube das ist es auch, was mir an dem Roman am Allermeisten gefallen hat. Das ist es, was ihn besonders macht, was ihn von anderen Büchern abgrenzt und wofür er mir in Gedanken bleiben wird: die Prosa. Der Schreibstil ist so grandios wie genial und insgesamt sehr kunstvoll. Aber was mich noch mehr beeindruckt hat, das war das unglaubliche Talent der Autorin, so viel zwischen den Zeilen zu vermitteln. Es geht stets darum, die eigenen Taten, Worte und Gedanken zu reflektieren. Das tun die Figuren auch. Sie begehen ständig irgendwelche Fehler und auf diese wird auch explizit hingewiesen. Die Figuren wachsen daran und bleiben doch sie selbst. Und am Ende liegt es am Leser, sich eine Meinung über all die Figuren zu bilden, ein Urteil über ihre Fehltritte zu fällen. Ellis verrät uns ihre Gedanken, sehr tiefgehende Gedanken, aber eine Meinung zwängt sie einem nicht auf. Das ist auch der Grund, weshalb SOME MISTAKES WERE MADE nicht einfach ein Liebesroman ist. Es ist ein überaus durchdachtes Werk, in dem die Liebesgeschichte nicht die Hauptrolle spielt. Daher sind sowohl Happy, als auch Unhappy End bis zum Schluss denkbar. Obwohl ich durch und durch eine Romantikerin bin, muss ich sagen, dass ich beide Arten eines Endes gerne gelesen hätte.

Mein Fazit:
SOME MISTAKES WERE MADE ist nicht makellos. Es besitzt in die Länge gezogenen Passagen. Es mag manchmal sehr dramatisiert oder romantisiert wirken. Doch davon abgesehen ist dieses Buch eine wirkliche Besonderheit. Wer Rätsel und Spannung mag und jeder, dem es nichts ausmacht, eine Weile auf die Folter gespannt zu werden, wird in diesem Roman Unterhaltung auf dem höchsten Niveau finden. Und auch an all diejenigen, die poetische, anspruchsvolle Schreibstile gerne lesen, kann ich den Roman wärmstens empfehlen. Von mir gibt es 4,5 von 5 Sterne.