Gegen den Strom

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simone1711 Avatar

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Sheridan Grant ist eigentlich ein ganz normales Teenagermädchen. Trotzdem fällt sie in ihrem Heimatort in Nebraska auf - sie ist adoptiert von den Grants, eine der (einfluss-)reichsten und angesehendsten Familien. Außerdem ist sie außergewöhnlich begabt, ihren Klassenkameraden weit voraus, kann wunderschön singen und ist zudem sehr hübsch. Alle Herzen fliegen ihr zu - nur nicht das ihrer Adoptivmutter. Diese schikaniert Sheridan wo sie nur kann, sagt ihr immer wieder wie wenig sie von ihr hält, und wird in ihren Gemeinheiten nur von ihrem jüngsten Sohn übertroffen, einem faulen und bösartigen Fiesling. Die drei älteren Brüder und ihr Adoptivvater sind Sheridan sehr zugetan, doch alle haben mit der Farm genug zu tun, und als ihr Dad noch eine weitere Aufgabe auf sich nimmt die ihn oft außer Haus führt, kann er Sheridan noch weniger beistehen. Ohne es zu wissen, ist Sheridan tatsächlich mit ihrer Adoptivmutter anders verbunden als es den Anschein hat.

Zu Beginn hängt Sheridan noch oft mit ihren Freunden ab, die eher als "Gesindel" gelten. Als sie eines Tages von der Polizei beim Rauchen, Bier trinken und Musik hören in einem abgesperrten Gelände erwischt werden und versuchen zu fliehen, wird ein Polizist auf der Jagd nach Sheridan verletzt. Der Sheriff hat sie nun auf dem Kieker, sie wird im Gefängnis festgehalten bis ihr Adoptivvater sie abholt, und dies führt zum ersten Bruch zwischen den beiden und zu einer Ohrfeige, mit der ihr Vater eine freche Bemerkung von ihr bestraft. Ihre Freiheiten werden nun noch deutlicher eingeschränkt, sie muss noch mehr auf der Farm arbeiten und abends in der Bibel lesen. Ihre Adoptivmutter genießt es sie zu demütigen und sie zu verletzen. Und diesmal steht ihr Vater ihr nicht bei. Was ich hierbei positiv fand war, dass Sheridan zwar sehr bockig auf dieses Verbot reagiert (wenn sie das nach außen auch nicht zeigt), irgendwann jedoch einsieht dass es so wirklich das Beste war. Nicht weil ihre Freunde nicht zu den besseren Kreisen gehören, sondern weil sie sich ausschließlich in ihrer Perspektivlosigkeit und ihrem Gejammer suhlen, ohne etwas verändern zu wollen. Sheridan entwickelt sich dadurch weiter, dass sie nun Kontakt zu anderen Menschen hat. Sie will etwas aus sich machen, aus ihren Talenten schöpfen und hat das Gefühl, dass das an diesem Ort nicht möglich ist. Durch den Abschied von ihrer ersten Liebe, Jerry, der den Ort verlässt, wird sie langsam reifer und erwachsen. Auch Sheridan hat vor, die Gegend irgendwann zu verlassen, denn sie sucht ihr Heil woanders.

Als in der Schule ein Musical aufgeführt werden soll, in dem Sheridan die Hauptrolle spielt und in dem zum Teil ihre selbst geschriebenen Songs aufgeführt werden, hat Sheridan endlich etwas gefunden, worauf sie sich freuen und für das sie sich engagieren kann. Ihre Adoptivmutter boykottiert die Aufführung jedoch und sie soll abgesagt werden. Nach außen hin lässt Sheridan sich ihre Wut und Trauer nicht anmerken, und schafft es schließlich, ihre "Mutter" mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Auf diese Weise lernt sie schließlich, die Demütigungen und Ungerechtigkeiten schweigend zu ertragen, um ihrer Adoptivmutter den Triumph zu versagen.

Zum Glück wohnt im Nebenhaus ihre Tante Isabella, die immer ein offenes Ohr für sie hat, deren Flügel sie benutzen und deren Bücher sie lesen darf, und die auch bei dem ersten großen Streit zwischen ihr und ihrem Vater vermittelt. Sheridan kommt so mit etwas anzüglicheren Büchern in Berührung als sie in der elterlichen Bibliothek zu finden sind, und entdeckt ihre sexuellen Wünsche. Diese lebt sie dann ziemlich ungeniert mit einem Hilfsarbeiter und einem älteren angeblichen Schriftsteller (der sich später als neuer Lehrer entpuppt) aus. Für ein junges Mädchen, das viel zu Hause schuften muss, mit der Schule zu tun hat und unter der ständigen Bewachung der Mutter steht, hat sie relativ viele Gelegenheiten dazu, aber ihr Vater sorgt dafür, dass sie in den Ferien auch ein wenig Freizeit hat, ohne jedoch zu wissen, wozu sie diese nutzt. Nicht alles was sie macht tut ihr gut, vieles sorgt für Probleme, und die Situation mit Esra spitzt sich immer mehr zu. Schließlich fängt er an, sie auch sexuell zu belästigen, und als sie ihn zu Hause bei einer Party mit Freunden erwischt, bei denen sie Mädchen mit Gewalt zwingen, viel Alkohol zu trinken und sich an ihnen vergreifen, schlägt er sie zusammen und schüttet ihr zwei Flaschen Schnaps in den Hals. Im Hinblick darauf, dass ihr Vater nie zu Hause ist und sie nicht beschützen kann wenn sie wieder mit der Mutter und dem Bruder allein ist, schweigt sie jedoch darüber.

Schließlich verliebt sie sich in Nick, einen Rodeoreiter, der wesentlich älter ist als sie und ihre Gefühle weder erwidern kann noch will. Doch er wird zu einem wirklich guten Freund, der ihr dabei hilft, den Hinweisen auf ihre leibliche Mutter nachzugehen. Durch Zufall kann sie an den geheimen Schrank ihrer Adoptivmutter gehen, und findet dort ihre Adoptionsdokumente. Auch die Tagebücher einer gewissen Carolyn sind eine Offenbarung, und langsam kommt die schockierende Wahrheit und die Rolle ihrer Adoptivmutter ans Licht. Diese enttarnt sich immer mehr als das was sie ist - eine boshafte, verbitterte Frau, zerfressen von Neid und Eifersucht. Selbst als Sheridans Vater mit einem lebensgefährlichen Blinddarmdurchbruch ins Krankenhaus muss, ist ihr alles andere wichtiger. Nick und Sheridan sind diejenigen, die sich um ihn kümmern.

Nick hilft Sheridan auch, als sie nach der Halloween-Party ein schreckliches Erlebnis durchmachen muss, das weitreichende Folgen hat. Ein Polizist, der sie schon länger verfolgt vergewaltigt sie, und sie erschlägt ihn in Notwehr mit einem Stein. Nick lässt die Leiche verschwinden, den Sheridan will nicht, dass diese Sache öffentlich wird und sie dem Sheriff davon berichten muss. Außerdem bringt er sie zu einem Abtreibungsarzt als ihr klar wird, dass sie schwanger ist. Leider kommt Sheridan immer wieder in Situationen, in denen ihr jemand Gewalt antun will. Der nächste, der sie rettet, ist der neue Reverend der Gemeinde, der ihr anfangs furchtbar unsympathisch war. Nach und nach kommen sie sich jedoch näher... Als Esra die beiden erwischt und es allen erzählen will, retten sie ihm nach einem Unglück das Leben, und danach kommt es zum Showdown mit Sheridans Adoptivmutter. Danach ist nichts mehr, wie es war.

Obwohl das Buch durchaus spannend und unterhaltsam war, war es mir doch teilweise zu viel des Guten. Mann kann starke Frauen, die mit allen möglichen Widrigkeiten fertig werden auch darstellen, ohne dass sie alle Grausamkeiten erleben müssen, die man als Frau befürchten kann. Dass Sheridan, nachdem sie von einem älteren Mann sexuell ausgenutzt wurde und nach mehreren versuchten und einer richtigen Vergewaltigung, bei der sie ihren Peiniger erschlagen hat und nach der sie bei fortgeschrittener Schwangerschaft abtreiben musste, weiterhin so leichtfertig mit sich umgeht, dass sie zu einem Jungen ins Auto steigt und am Schluss noch mit dem neuen Pfarrer im Bett landet, will mir nicht so recht plausibel erscheinen. Etwas ähnliches ist mir auch schon bei einem Nele-Neuhaus-Krimi sauer aufgestoßen. Brauchts das wirklich alles? Ich finde nein. Dass ein Mädchen so abgebrüht sein kann mag ich mir nicht vorstellen. Klar kämpft sie mit dem Erlebten, aber bei ihrer Jugend und ihrer streng kirchlichen Erziehung hätte ich mit einem richtigen Zusammenbruch und jahrelanger Enthaltsamkeit gerechnet, und da muss man nur mal wirkliche Vergewaltigungsopfer fragen.

Was ich aber wirklich positiv fand war, dass der Konflikt zwischen Eltern und Kind (selbst wenn man nicht so eine fiese Adoptivmutter hat) gut dargestellt war und auch das Leben auf der Farm sehr lebendig beschrieben wurde. Man konnte in die Geschichte auf jeden Fall gut eintauchen und sich alles vorstellen.