Harmonisches Familienleben

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heike lohr Avatar

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Anne B. Radge ist ein außergewöhnliches Buch gelungen, das durch seine alltägliche Geschichte in normalen Szenen ohne irgendwelche Effekthascherei besticht. Auch wenn es nicht um die drittgrößte Stadt in Norwegen geht, sondern um ein Dorf in der Nähe. Natürlich lebt die Familie zerstreut in den Städten bzw. auf dem Land bzw. in Dänemark. Die Familie ist auseinander gebrochen und trotzdem noch im Kern verbunden. Margido ist ein Bestattungsunternehmenr, ein Einsiedler und trotzdem ein umgänglicher Mensch, der sich um seinen Vater im Heim kümmert. Ihn ruft die Nichte an und findet bei ihm Unterschlupf, als sie ihren Freund endgültig verlässt. Auch sein schwuler Bruder, der in Dänemark mit einem Zeitungsredakteur lebt und die zusammen mit zwei Lesben drei Kinder haben, ruft ihn an, als sein Lebensgefährte fast an einem Herzinfarkt stirbt. Er hilft dann seiner Nichte beim Neustart und findet durch ihren Kontakt die Kraft, sein Unternehmen zu modernisieren. Alle Charaktere bestechen durch ihre Authentizität und Knorrigkeit. Alles ist mit dem typishc nordischen Humor durchtränkt, der hintergründig ist und sich ein wenig, aber nicht richtig dem britischem schwarzem Humor annähert. Humor wird zu einer Qualität die Absurdität des Lebens und der einschneidenden Lebensereignisse angemessen zu verarbeiten, ganz ophne Pathos und Tragödie, einfach ehrlich und mit dem Willen zur (Selbst-) Erkenntnis. Wie sich Margido mit seinem Angestellten aus einer alteingesessenen Bestattungsunternehmerfamilie herumschlägt und wie er ihn auf nette und menschliche Art entlässt, muss man einfach gelesen haben. Die Übersetzung von Gabriele Haefs hat meiner bescheidenen Kenntnisse nach sehr gut den norwegischen Background eingefangen. Das Titelbild des Buches verweist auf die Herkunft der Familie Neshov, die sich in ihrer Entwicklung von der Schweinefarm und dem öden Hof entfernt hat. Ein Schwein steht auf einem Felsen mitten im Meer und die Seemöwen fliegen um es herum. Der helle Himmel mit den leichten Wolken gibt dem Ensemble einen heiteren und positiven Anstrich. Die Lebensepisoden von den Protagonisten werden collageartig aneinandergereiht, bis sie die Lebenswelten zu berühren beginnen. Obwohl die Familie durch ihre Stammmutter Anna und deren Geheimnis, dass ihre Kinder von ihrem Schwiegervater gezeugt wurden, in ihrem Zusammenhalt empfindlich gestört wurde, finden sie im ruhenden Pol zusammen. Torunn, von der wir am meisten erfahren und die mit vierzig ihren Lebensweg gefunden hat, ist die uneheliche Tochter des früh verstorbenen ältesten Bruders Tor. Dieser hatte sie bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung um den Hof gekümmert und konnte sich nie gegen die Mutter durchsetzen. Deswegen hat er Torunns Mutter nie geheiratet und deswegen hat sie die Familie ihres Vaters sehr spät kennengelernt. All das entwickelt sich aus Erinnerungen und Gesprächen heraus, so dass der Leser langsam alle Erzählfäden zu einem Gewebe zusammenfügen kann.