Der Engländer

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
anyways Avatar

Von

Wildschweine verändern auf dramatische Weise nicht nur das Leben ihres Chefs, Gunnar Berg, sondern auch das von Ingrid Nyström. Einen Zusammenstoß mit den verfluchten Biestern kostet Gunnar einen großen Teil seiner Gesundheit. Er beschließt daraufhin seine Stellvertreterin zu befördern. Schneller als ihr lieb ist wird Ingrid Hauptkommissarin. Nun ist sie Vorgesetzte ihrer langjährigen Kollegen, eine Rolle in die sie sich erst hineinfinden muss. Zeitgleich fängt die junge Deutsch-Schwedin Stina Forss im Kommissariat in Växjö an. Ihre Anreise aus Berlin nach Småland gleicht eher einer Flucht. Unter Ingrids Leitung darf sie eine einjährige Praktikantenstelle besetzen, die es ihr nach Ablauf der Frist ermöglicht, auch in Schweden als Kommissarin zu arbeiten.
Viel Zeit haben beide nicht, sich an ihre neue Lebenssituation zu gewöhnen, denn in der beschaulichen Stadt wird die Lokalberühmtheit, der Insektenforscher Balthasar Melchior Frost, auf bestialische Weise getötet. Wer hatte so einen Hass auf diesen betagten Mann, ihn erst in Branntkalk zu wälzen und dann mit Wasser zu übergießen? Während der Ermittlungen wird deutlich, dass sich hinter der Fassade des alten Mannes mehr versteckt. Geheimnisse die er sehr gut gehütet hat, und deren Vertuschung ihm letzten Endes zum Verhängnis wurden. Die Spur führt von hohen schwedischen Kreisen bis hin nach Jerusalem, in die Zeit, kurz nach dem 2. Weltkrieg.

Mit ihrem Debütroman konnte mich das Autorenduo für sich gewinnen. Alles was ich an der skandinavischen Krimikultur liebe ist mit eingeflochten. Nordische Krimis zeichnen sich durch eine Detailfülle hinsichtlich der Protagonisten, Lebensart und Landschaftsbeschreibungen aus. Allen Beteiligten aus Ingrids Team wird hier besonders viel Platz geboten sich zu entfalten, lediglich die Figur der Stina wirkt ein bisschen unrund und übertrieben, auch das Leben und die Motivation der Verdächtigen ist weniger ausführlich. Die Kapitel sind übersichtlich gegliedert und werden aus der Sicht der verschiedenen Protagonisten geschildert. Hierbei sind nur die Handlungen der Verdächtigen etwas schwerer nachzuvollziehen.
Ein facettenreicher Krimi mit vielen Wendungen und einer Auflösung die für mich nicht so erwartet wurde, dadurch haben mich die Autoren überraschen können. Ein dicht geschriebener Krimi der neben den üblichen Mordmotiven wie Hass und Gier auch das dunkle Kapitel des 2. Weltkrieges mit anschneidet. Die kollektive Angst der Menschen vor dem „Anderssein“ und die daraus erwachsenden Ungeheuerlichkeiten, die auch heute noch in jeder Nationalität auf Sparflamme kochen. Diese Idee, das Konzept und die Umsetzung in diesem Krimi finde ich sehr gut gelungen. Als einen weiteren Pluspunkt möchte ich anmerken, dass die Autoren von dem üblichen „Schwarz-Weiß-Denken“ (das sich ja bei einem Krimi fast unweigerlich einstellt) abgerücken. Dass trotz der Sympathien die man für das Opfer entwickelt auch dessen Schattenseite präsentiert wird. Das macht bei der Aufklärung die eigentliche Überraschung aus.