Feministisches Jugendbuch zur rechten Zeit

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marcello Avatar

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Gerade nach der hochschwappenden „Me Too“-Debatte ist Feminismus en vogue. Immer mehr Frauen erzählen ihre Geschichten, immer mehr Frauen dürfen sich in der Filmbranche als Autorinnen, Regisseurinnen und Darstellerinnen verwirklichen und Projekte anpacken, die zuvor noch verpönt waren. Ich selbst würde mich seit gefühlten Ewigkeiten schon als Feministin bezeichnen und dennoch hat es in meiner Jugend, die jetzt etwas über 10 Jahren zurückliegt, keine Bücher wie „Spinster Girls“ gegeben. Natürlich hat es tolle Bücher gegeben, aber keine Bücher, die so ehrlich anpacken, was es bedeutet Frau zu sein in einem Alter, wo man seinen Platz in der Welt gerade erst finden muss. Als ich daher von den „Spinster Girls“ gehört habe, war ich Feuer und Flamme und habe dann festgestellt, dass dieses Jugendbuch nicht nur Feminismus in den Vordergrund rückt, sondern noch ein weiteres sensibles Thema anpackt.
Den Feminismus-Aspekt von „Spinster Girls“ finde ich richtig gut umgesetzt. Evie, Amber und Lottie sind ein Dreiergrüppchen von Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Was sie aber eint, ist die Erkenntnis, dass sie nicht zu den Frauen gehören wollen, die ihr Leben komplett auf einen Mann ausrichten, sondern sie wollen in erster Linie sie selbst sein und in einem zweiten Schritt den Mann finden, der sie so akzeptiert ist, wie sie sind. Diese Einstellung wird jedoch nicht rosarot verziert und als kinderleicht umzusetzen erzählt, sondern die Autorin hat schon ein sehr gutes Händchen dafür darzustellen, dass die Welt eben so stereotypisiert ist, dass es nicht selbstverständlich ist, diesen Weg gehen zu können.
Es werden unheimlich viele Themen angesprochen, die Frauen zu Frauen machen, die aber dennoch immer eher ausgeklammert werden, weil sie in der Gesellschaft angeblich unter den Teppich gekehrt werden müssen. Natürlich wirken die Erklärungen der einzelnen Phänomene manchmal wie Lexikonartikel, nur etwas spannender verpackt, aber ich fand es unheimlich interessant, diese einmal so schonungslos aufgezeigt zu bekommen. Zudem ist es erfrischend, wie selbstbewusst die drei jungen Frauen in der Öffentlichkeit zu diesen Überzeugungen stehen, denn sie wissen, dass sie immerhin sich haben. Auch wenn dieses Buch hochfeministisch ist, ist es trotzdem nicht ein „Hau drauf“ auf das männliche Geschlecht. Auch dieser Zwiespalt wird hochinteressant verarbeitet und zeigt schonungslos auf, wie schnell Feminismus auch in die falsche Richtung gehen kann. Denn am Ende ist nur eins wichtig: Jeder Mensch ist einzigartig, aber von der Bedeutung für die Welt sind wir alle gleich.
Der erste Band ist aus der Sicht von Evie erzählt und ich war sehr überrascht, als ich feststellte, dass sie an einer Zwangsstörung leidet und sich gerade auf dem Weg der Besserung befindet, nachdem sie eine Zeit lang sogar in der Psychiatrie aufgenommen werden musste. Natürlich gibt es in vielen Jugendbüchern Protagonisten und Protagonistinnen, die Krankheiten oder Ängste haben, die sie prägen. Doch meist geht es inhaltlich anschließend darum, diese Krankheiten oder Ängste zu überwinden und zu einem starken Ich zu werden. Das ist fraglos auch eine ungeheuer wichtige Botschaft, aber zur Abwechslung war es auch einfach mal großartig zu lesen, dass solche Krankheiten einen auch maßgeblich ausmachen und prägen. Evie war so unheimlich realistisch in ihren Zwängen dargestellt, dass ich mich selbst schon dabei erwischte, mich in ihrem Denken einzufinden. An ihr wird nichts beschönigt, sondern sie wird wirklich so dargestellt, wie es ist, mit allen Hoch und Tiefs. Damit hat Holly Bourne mich so richtig packen können und nun bin ich so richtig gespannt, was sie noch für Lottie und Amber bereithält!
Fazit: „Spinster Girls – Was ist schon normal?“ ist wirklich ein feministisches Jugendbuch zu genau der richtigen Zeit. Gerade wenn man in diesem Alter merkt, dass man anders ist und sich nicht dem inszenierten Mainstream auf Instagram oder anderen sozialen Medien unterordnen will, dann ist dieses Buch eigentlich die entsprechende Bibel, denn es zeigt schonungslos Wahrheiten auf, die nichts beschönigen. Aber am Ende bleibt die Botschaft, dass man nie alleine ist und dass jeder seinen eigenen Weg finden und gehen muss. Daher eine fette Lektüreempfehlung von mir!!!