Erinnerungen in Moll – Christian Berkel überzeugt sprachlich, lässt aber emotional kalt

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„Kindsein gehörte zu meinen unangenehmsten Erfahrungen.“

Christian Berkel beweist auch in seinem dritten autobiografischen Roman „Sputnik“ einmal mehr, dass er ein großartiger Erzähler ist.

Er beginnt im Stile von Günther Grass in der Blechtrommel die Erzählung seiner Lebensgeschichte vor bzw. mit der Geburt aus seiner Sicht.

„Alles, was ich darüber gehört und gelesen habe, deutet darauf hin, dass in dieser Zeit bereits ein prägender Austausch zwischen Mutter und Kind stattfindet. Als ich in den späten Fünfzigerjahren geboren wurde, interessierte sich die Forschung kaum dafür. Ein paar tausend Jahre früher war man schon weiter gewesen.“

Wir begleiten Sputniks Aufwachsen in einer nicht ganz einfachen Familie, seine Zeit in Frankreich, den Weg zur Schauspielerei. Neben typischen Coming-of-Age-Motiven, wie der Rebellion gegen Eltern und Autoritäten, Partys und ersten Liebeleien, versucht sich Berkel auch mit seinen jüdischen Wurzeln auseinanderzusetzen.

„Es war die Eingangshalle der Renée-Sintenis-Grundschule. Aus der Mitte schwang sich eine Treppe nach oben, auf ihren Stufen unsere zertretenen Hoffnungen.“

Besonders die Passagen, die in Frankreich spielen, empfand ich als stellenweise langatmig. Die Handlung verliert dort für mich an Tempo, und trotz Berkels sprachlicher Stärke wollte der Funke nicht so recht überspringen. Hinzu kommt, dass die allgegenwärtige Drogenthematik für meinen Geschmack zu viel Raum einnimmt und die Geschichte in eine Richtung lenkt, die mich emotional eher auf Abstand gehalten hat.

Unbestritten ist „Sputnik“ literarisch stark und handwerklich sehr gut gemacht. Doch was die Erzählung betrifft, fehlte mir die Tiefe und Spannung, um wirklich mitgerissen zu werden.