Vom Schauspieler zum Schriftsteller

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Christian Berkel hat mit Sputnik seinen dritten, autobiografisch geprägten Roman vorgelegt – ein Projekt, das zweifelsohne mit Ambition und Ernsthaftigkeit betrieben wurde. Und dennoch bleibt am Ende der Lektüre ein gemischter Eindruck zurück: Man merkt dem Buch das Bemühen an, viel zu erzählen, vielleicht sogar zu viel, doch dabei bleibt manches (oder sogar vieles) an der Oberfläche.
Der Einstieg ist originell: humorvoll, beinahe verspielt, schildert Berkel die Entstehung des Protagonisten – eine Art poetisch-philosophisches Embryo-Monologstück. Eine vielversprechende Ouvertüre, die jedoch bald einer zähen Erzählweise weicht. Die Kindheit und Jugend in einem zerrissenen Nachkriegsdeutschland, die Entfremdung innerhalb der Familie, insbesondere zu den Eltern – das alles ist potenziell spannungsvoll, aber es fehlt oft an sprachlicher Kraft und erzählerischem Fokus, um daraus wirklich literarisch Relevantes zu formen.
Erst mit der Zeit in Frankreich nimmt der Roman an Fahrt auf – dieser Teil bildet zweifelsohne das Herzstück des Buches. Hier gelingt es Berkel, ein Gefühl von Aufbruch und Selbstsuche spürbar zu machen. Die fremde Sprache, das fremde Land, die neue Kunstform: Das ist atmosphärisch dicht und verleiht dem Roman endlich so etwas wie Richtung. Gleichzeitig jedoch fällt auf, wie blass vieles bleibt. Der Stil ist flach, fast schon reportagehaft, ohne ausgeprägte eigene Stimme.
Besonders drängt sich beim Lesen der Vergleich zu Joachim Meyerhoff auf – nicht nur, weil auch er autobiografisch schreibt, sondern weil beide in ihrer Literatur ihren Werdegang als Schauspieler beschreiben. Doch während Meyerhoff dies mit einer feinen Mischung aus Ironie, Tiefe und leiser Melancholie tut, dass seine Bücher zugleich unterhaltsam und literarisch anspruchsvoll sind, bleibt Christian Berkel hinter dieser Kunst deutlich zurück. Ihm fehlt jene Selbstironie, die bei Meyerhoff nie in Selbstverliebtheit kippt, sondern stets eine kluge Distanz zum eigenen Erleben wahrt. Während Meyerhoff seine Leserinnen und Leser mit Pointen überrascht, ohne je die emotionale Ernsthaftigkeit preiszugeben, wirkt „Sputnik“ in weiten Passagen seltsam glanzlos, fast brav erzählt – ohne jene erzählerische Raffinesse, die notwendig wäre, um autobiografisches Material in Literatur zu verwandeln.
Hinzu kommt, dass der Autor als Figur nicht gerade begeistert. Christian Berkel inszeniert sich (bewusst oder unbewusst) als naiv, zuweilen beinahe einfältig – ich muss gestehen, dass er mich phasenweise regelrecht genervt hat. Und zuweilen wirkt er wie ein passiver Beobachter der eigenen Biografie – ein Effekt, der durchaus Absicht sein könnte, letztlich aber dazu führt, dass man kaum eine emotionale Bindung aufbaut. Das Innenleben des Protagonisten bleibt vage, seine Entwicklung unklar. Die psychologische Tiefe, die man sich gerade bei autobiografischer Literatur wünscht, stellt sich kaum ein.
Thematisch durchzieht der Roman das Spannungsfeld von persönlicher Identität und deutscher Vergangenheit, insbesondere durch die jüdische Herkunft der Mutter. Es sind wichtige Fragen, die aufgeworfen werden, doch bleibt auch hier vieles angedeutet, kaum wirklich durchdrungen. Die große Debatte über Schuld und Erinnerung, die gegen Ende des Romans viel Raum beansprucht, mag auf den ersten Blick ambitioniert anmuten, wirkt letzlich aber konstruiert und wie ein Fremdkörper im ansonsten eher lose montierten Lebensbericht.
Und dennoch: Sputnik ist kein schlechtes Buch, stellenweise ist es durchaus interessant, gerade wenn es Einblicke in die gesellschaftliche Atmosphäre der 1960er und 70er Jahre gewährt. Dass Berkel nun bereits sein drittes Buch vorlegt, zeigt: Er meint es ernst mit dem Schreiben. Der von mir sehr hoch geschätzte japanische Autor Haruki Murakami hat einmal angemerkt, dass Prominente, die sich als Schriftsteller versuchen, nicht automatisch als solche gelten sollten – Ruhm auf einem anderen Gebiet ersetzt nicht das Handwerk des Schreibens. Ein wirklicher Autor, so Murakami sinngemäß, ist jemand, der fortwährend schreibt, veröffentlicht, scheitert und neu ansetzt – jemand, für den Literatur kein Nebenprodukt ist, sondern Lebensinhalt. Vor diesem Hintergrund muss man Christian Berkel immerhin zugestehen, dass er nun bereits zum dritten Mal publiziert hat und damit tatsächlich einen ernstzunehmenden Anspruch auf das Schriftstellerdasein erhebt. Auch wenn „Sputnik“ literarisch nicht restlos überzeugt, spricht aus diesem dritten Versuch zumindest ein aufrichtiges Bemühen, sich dem Schreiben als kontinuierlicher Arbeit zu widmen.