Neuer Denkansatz, der aber nicht ganz glaubwürdig ist

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sineous Avatar

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Durch einen Sporenangriff auf die USA während des Krieges stirbt die gesamte Elterngeneration aus, nachdem sich nur die Kinder (Starters) und Greise (Enders) rechtzeitig dagegen impfen konnten. Callie ist 16 und lebt mit ihrem Bruder Tyler und einem Freund namens Michael auf der Straße, seit sie eine Waise wurde. Täglich muss sie darum kämpfen, etwas in den Magen zu bekommen und nicht von den Marshals gefangen genommen zu werden, die Minderjährige aufsammeln und zwecks Zwangsarbeit in Heime stecken.

Mittellosen wie Callie bietet das streng geheime Unternehmen Prime Destinations mit seiner Body Bank einen Ausweg; gegen Bezahlung können sie ihren jungen Körper an die ältere Generation vermieten – manchmal tage-, aber auch wochenweise. Während Callie in einer Art Koma liegt, kann sich ihre jeweilige Mieterin in dieser Zeit wieder jung fühlen und ihren Spaß haben. Um ihrem lungenkranken kleinen Bruder Medizin und ein Zuhause ermöglichen zu können, geht Callie dieses Wagnis ein.

Doch Callie erwacht vor Vertragsablauf wieder in ihrem Körper und findet sich in der Welt ihrer Mieterin Helena wieder, mit all dem Luxus der älteren Generation und einer Stimme in ihrem Kopf, die ihr sagt, nicht zu Prime Destinations zurückzukehren. Ist vielleicht ihr Chip kaputt? Aus Angst, das Geld nicht zu bekommen, spielt sie Helenas Rolle weiter, wobei sie die erste Hälfte des Buches zu rekonstruieren versucht, was passiert ist und was ihre Mieterin mit ihr vor hat.

Zusammengefasst
Die ersten 60% des Buches sind sehr spannend gestaltet, denn obwohl Helena hin und wieder Kontakt mit Callie aufnehmen kann, sind beide nicht gewillt, der Anderen zu helfen oder sie zu verstehen – zunächst. Für die Protagonistin fügt sich das Gesamtbild erst nach und nach wie ein Puzzle zusammen. Ab einem gewissen Zeitpunkt im letzten Viertel hatte ich das Gefühl, dass es einen Bruch in der Erzählweise gibt, die Ereignisse sich plötzlich überschlagen und doch alles viel zu glatt geht. Noch bevor ich mich aber ärgern konnte, dass alles mit einem Happy End ausgeht, gibt es einige große Überraschungen, bevor das Buch mit einem angedeuteten Cliffhanger endet.

Romance
Starters beinhaltet keine große, epische Liebesgeschichte, das schon einmal vorweg. Callie ist ein sehr realistisches und praktisch denkendes Mädchen. Natürlich fühlt sie sich zu Michael hingezogen. Mir scheint aber, dass sie sich dazu verpflichtet fühlt, so zu empfinden. Michael kümmert sich um ihren Bruder Tyler, während sie ihrem Abkommen mit Prime Destinations nachkommt. Als sie aber in Helenas Luxuswelt erwacht, scheint sie mit der Zeit bereit, ihr früheres Leben und Michael zu Gunsten eines Anderen zu vergessen. Dieser Erzählstrang wird nicht ganz zu Ende geführt, sodass ich davon ausgehe, im zweiten Band mehr dazu zu lesen.

Charaktere
Die meisten Charaktere, die in der Erzählung auftauchen, haben eine wesentliche Rolle in dem Puzzle, dass Callie zusammenzufügen versucht. Die Autorin schafft es, vielen eine besondere Angewohnheit oder einen Charakterzug zu geben, der sie sympathisch und unverkennbar macht. Neben Tyler wuchs mir auch Sara, eine spätere Mitgefangene von Callie, sehr ans Herz. Schade fand ich aber, dass die Beziehungen eher oberflächlich bleiben.

Hintergrundgeschichte
Am meisten hat mich das Konstrukt stutzig gemacht, das der Geschichte zugrunde liegt. Ich kann mir beim besten Willen nicht denken, warum ältere Menschen nicht fähig sein sollten, die Starters als gleichwertige Menschen zu behandeln. Zwar sind sie noch nicht volljährig, aber wenn die Zukunft der Menschheit an den Starters hängt, würde ich sie nicht mittellos auf der Straße hungern lassen. Im Film 'Children of Men' z.B. liegt die gesamte Hoffnung auf den jungen Menschen, als klar wird, dass keine Kinder mehr geboren werden.

Gelungen ist Lissa Price zwar, dass sie das Licht auf die zunehmend älter werdende Gesellschaft lenkt; die oftmals aber sehr rücksichtslos unbedachte Umgangsweise der machthabenden Alten mit der jungen Generation lässt bei mir alle Warnsignale aufleuchten. Unglaubwürdig.

Gestaltung
Ehrlich gesagt gruselt es mich vor dem englischen Cover. Soll das Callie sein? Wenn sie es ist, erinnert sie mich mehr an einen Droiden als an einen Menschen. Dabei gewinnt man einen falschen Eindruck von der Handlung des Buches, denn Droiden kommen darin nicht vor. Das deutsche Cover dagegen sagt viel mehr aus. Durch das verdunkelte Gesicht ist die Identität nicht eindeutig zuzuordnen. Es wirkt zudem sehr steril und modellhaft, wie eine Schaufensterpuppe – was ungefähr die Vorstellung der Enders von dem gemieteten Körper widerspiegelt.

Fazit
Ein spannendes Jugendbuch mit einer äußerst verstrickten Handlung, das gegen Ende leider etwas abnimmt und dem ich das Grundkonstrukt nicht ganz abkaufen kann. Durch die ungewöhnliche Idee und v.a. für Sci-Fi-Fans aber ein unterhaltsames Buch, dem ich gut 3,5 Sterne zugestehen kann.