Starters - Nicht nur am Start sehr gut

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r.e.r. Avatar

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Callie Woodland lebt mit ihrem Bruder Tyler auf den Straßen von Los Angeles. Während der “Sporenkriege” haben sie beide Eltern verloren und leben nun als “Starter” ohne Angehörige vogelfrei in den heruntergekommenen Teilen der Stadt. Täglich auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf, Trinkwasser und ein wenig Nahrung aus Mülltonnen ist ihr Dasein zu einem immerwährenden Überlebenskampf geworden. Um dem lungenkranken siebenjährigen Medikamente, gutes Essen und ein Dach über dem Kopf bieten zu können, beschließt Callie einen Kontrakt mit der Firma Prime Destination einzugehen. Sie vermietet ihren Körper an deren Body Bank, die diesen gegen ein hohes Honorar an “Ender” vermittelt , die noch einmal für kurze Zeit jung und schön sein wollen.

 

Lissa Price “Starter” erinnerte mich anfangs unwillkürlich an die “Tribute von Panem”, den Weltbestseller von Suzanne Collins. Auch hier ein Amerika in einer nicht näher definierten Zukunft. Auch hier das Land und die Menschen durch einen Krieg gespalten und zerstört. Auch hier auf der einen Seite bittere Armut und der Kampf ums tägliche Überleben und auf der anderen Seite unermesslicher Reichtum der kaum weiß wohin mit Geld, Zeit und Luxus. Auch hier ein sechzehnjähriges Mädchen, das sich tapfer für ein kleines Geschwisterchen aufopfert. Auch hier ein besonderes Auswahl- und Verschönerungsverfahren, für das die junge Callie dank spezieller Fähigkeiten besonders geeignet ist. Soweit die Parallelen.

 

Während die Heldin der Tribute, Caitlin, bei den Hungerspielen ihren Tod billigend in Kauf nimmt, um das Überleben ihrer Familie zu sichern, ist bei Callie das genaue Gegenteil der Fall. Sie verpflichtet sich, ihren Körper für drei “Ausleihen” reichen “Endern” gegen ein immenses Honorar zur Verfügung zu stellen. Die Body Bank sichert ihr vertraglich zu, dass sie dadurch weder physische noch psychische Nachteile erleidet. Die Bezahlung wird ihr und ihrem Bruder ein sorgenfreies Leben bis zu ihrer Volljährigkeit gestatten. Danach hat sie legal wieder das Recht zu arbeiten.

 

Anfangs beschreibt die Ich-Erzählerin ihren ersten Besuch in der Body Bank. Ebenso drastisch wie plastisch schildert Sie die Diskrepanz zwischen der dreckigen, hungrigen Göre von der Straße, die sich einen letzten Rest Würde bewahrt hat und den auf jung getrimmten Alten, die tatsächlich wie geldgeile Banker wirken. Nur das Sie auf “Körperkapital” aus sind. Auch die Darstellung wie aus Callie in einer Art “Menschenwaschstraße” ein perfektes Mietobjekt gemacht wird, verdeutlicht das erzählerische und fantasiebegabte Talent der Autorin. Am Ende der Prozedur ist Callies Schönheit makellos. Nach zwei unproblematischen “Mietreisen” (ermöglicht durch ein elektronisches Implantat am Hinterkopf) wacht die sechzehnjährige eines Abends auf dem Boden eines Nachtclubs auf , wo zu diesem Zeitpunkt eigentlich ihre “Mieterin” sein sollte.

 

Callies Geschichte besticht durch unvorhergesehene Wendungen, Nervenkitzel und interessante Figuren. Die skurrile 125jährige übergewichtige Rhiannon, die im Körper der zierlichen Madison das Nachtleben unsicher macht ist so ein Beispiel. Bei der Beschreibung der technischen Raffinessen (sie kann sich ihre Lieblingsschauspieler per Knopfdruck zum Plausch ins Wohnzimmer holen) im Luxusdomizil der reichen Seniorin verschlägt es einem die Sprache. Oder die Waise Sarah, die in ihrer großmütigen Selbstlosigkeit trotz bitterster Armut und größtem Unrecht an eine Figur aus dem Charles Dickens Universum erinnert. Selbst die Romantik kommt nicht zu kurz. Callie verliebt sich in Blake, den ebenso gutaussehenden wie sensiblen Enkel eines einflussreichen Senators. Dieser setzt jedoch alles daran, die unpassende Partie loszuwerden.

 

Das alles in einer gut lesbaren, leichtfüßigen Sprache und vor allem ohne nennenswerte Brutalität oder Blutvergießen. Price setzt atmosphärische Reize und spielt mit dem psychologischen Faktor. Was geht im Kopf von Callie vor? Welche Figur spielt ein falsches Spiel? Und vor allem: Wer steckt wirklich im jeweiligen Körper den man vor sich sieht? Fragen über Fragen, die zu klären ein kurzweiliges Lesevergnügen ist. Einen Stern habe ich eingespart, weil Price ihre Strukturen nicht immer erklärt. Zum Beispiel wird nicht klar warum ein Teil der Starter als sog. Renegaten (unfreie Sklaven) leben müssen. Ansonsten sehr empfehlenswerter Erstling einer Autorin von der man sicher noch viel gutes lesen wird.