Worüber nie gesprochen wurde

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bücherkarin Avatar

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Ein großes Dankeschön an die Autorin Susanne Abel! Sie erzählt in diesem Roman sehr emotional, spannungsgeladen und historisch gut recherchiert über eine Vergangenheit, die uns so nie bewußt geworden ist. Unsere Eltern/ Großeltern haben "den Betondeckel über ihre traumatisierenden Erlebnisse geschoben" um überhaupt weiterleben zu können. Natürlich, allgemein wissen wir schon um die Greuel des II. Weltkrieges, das Grauen der Flüchtlingstrecks, der Rassendiskriminierung auch im freiesten Land der Welt. Aber die unterschiedlichsten Formen von Leid und Trauer für jeden einzelnen - das macht uns dieser Roman auf lesenswerte Weise bewußt.
Greta, die 84jährige Mutter des Star-Fernsehmoderators Tom ist körperlich noch fit, wird aber allmählich dement. Es brechen Erinnerungen durch, Tom findet Fotos, Erinnerungsstücke, die viele Fragen aufwerfen: wer ist der afroamerikanische GI, das dunkelhäutige Mädchen, was hat es mit der Voodoopuppe auf sich? Mit Hilfe einer Assistentin, für die er anfangs wenig Sympathie hegt, beginnt er Nachforschungen und gelangt zu überraschenden, teils auch erschreckenden Ergebnissen.
Parallel zu dieser Rahmenhandlung wird Gretas Leben erzählt, beginnend mit ihrer glücklichen Kindheit in Preußisch-Eylau, dem Kummer und den Entbehrungen des Krieges, und den Schrecken der Flucht. Die während der Flucht getrennte Familie findet in Heidelberg wieder zusammen und kämpft sich durch die entbehrungsreichen Nachkriegsjahre. nach schrecklichen Erlebnissen kommt Greta für Monate in eine psychiatrische Klinik. Und so verlief auch Toms Kindheit, mit vielen Depressionen und Aufenthalten in Sanatorien seiner Mom, ohne dass er je den Grund dafür erfuhr.
Die Autorin schildert das alles voller Empathie für ihre Personen. Sie scheut sich auch nicht, von Gretes anfänglicher Begeisterung für den Führer zu berichten, zeigt auch, dass hinter der Bürokratie auch Menschen stehen, die dies nicht aus reiner Bosheit tun, einfach in ihren Vorschriften gefangen sind oder dass Rassismus keineswegs nur ein Problem in Nazideutschland war.
Das alles macht diesen Roman so menschlich, so lebensecht und hinterläßt trotz happy end kein Wohlfühlgefühl.
Zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte - aber auch der aktuellen politischen Probleme ein sehr empfehlenswerter Lesestoff.