Gut geschrieben, jedoch keine erbauliche, sondern eher bedrückende Lektüre

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takabayashi Avatar

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Der junge Schweizer Friedrich hat einen liebevollen Vater und eine ehrgeizige deutsche Mutter, eine Alkoholikerin mit nationalistischen Tendenzen. Sie wünscht sich, dass Friedrich ihren unerfüllten Traum von einer Karriere als Malerin erfüllt. Doch nach einem Unfall ist Friedrich absolut farbenblind. Dennoch macht er sich als junger Mann auf ins Berlin des zweiten Weltkriegs, um dort Zeichenunterricht zu nehmen und trifft dort auf Kristin, die in der Zeichenschule Modell steht. Sie ist lebenslustig und geheimnisvoll und er verliebt sich in sie. In dem Tanzlokal, in das sie ihn führt, lernt er Tristan von Appen kennen und freundet sich mit ihm an, muss dann allerdings feststellen, dass dieser durch und durch Nazi ist. Und auch Kristin ist nicht, wer sie zu sein scheint, sie hat ihn über ihre Identität belogen, heißt eigentlich Stella, ist Jüdin und hat - allerdings zumindest zuerst unter starkem Druck von außen - große Schuld auf sich geladen: sie ist eine Verräterin und Nazi-Kollaborateurin.
Die Protagonistin ist an eine real existierende Person angelehnt, durch eingeschobene Protokolle von Zeugenaussagen aus den Auschwitzprozessen gewinnt der Roman eine gewisse dokumentarische Qualität. Aber leider werden in dem relativ kurzen Roman die Motivationen für die Handlungsweisen der drei Hauptfiguren nicht klar nachvollziehbar. Würger schreibt gut, die Aufarbeitung der Vergangenheit ist immer noch wichtig und die Handlung vermag auch die Spannung aufrecht zu erhalten. Ich fühlte mich jedoch bei der Lektüre immer unbehaglicher, was vom Autor durchaus beabsichtigt sein mag; aber ich muss gestehen, dass ich lieber erfreulichere Romane lese, die mich beglücken, wie z.B. Amor Towles' "Ein Gentleman in Moskau". Und auch das Erstlinswerk von Takis Würger "Der Club" hat mir erheblich größeres Vergnügen bereitet. Daher von mir keine uneingeschränkte Leseempfehlung: Man sollte wissen, worauf man sich bei diesem Buch einlässt!