Sehr lesenswert

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
brauchnix Avatar

Von

Wenn man den Wikipedia-Eintrag über das Leben der Stella Goldschlag gelesen hat, dann weiß man, dass so ein dünnes Büchlein wie "Stella" von Takis Würger dem Leben dieser Frau nicht gerecht werden kann. Um zu verstehen, warum sie so und nicht anders gehandelt hat, bräuchte es viele psychologische Abhandlungen und viele Zeugenaussagen und Gespräche. Takis Würger umreißt hier eine Figur der nahen Zeitgeschichte, die unvorstellbares getan hat und deren Beweggründe er nur anreißt. Dennoch ist das Buch einen Blick wert.

Stella war die vielleicht erfolgreichste jüdische Denunziantin des zweiten Weltkrieges. Man vermutet im schlimmsten Fall bis zu 3.000 Verhaftungen, die auf ihr Konto gingen. Die meisten dieser jüdischen Menschen kamen in Lagern um. Stella überlebte den Krieg und wurde 72 Jahre alt. Dies alles ist für das Buch nur am Rande von Bedeutung, denn darum ging es Takis Würger nicht wirklich. Er wollte nicht anklagen und wohl auch nicht erklären. Er wollte ins Gedächtnis rufen und erzählen. Und das tut er auf unnachahmliche Art und Weise.

Er schildert aus der Sicht des jungen Schweizers Friedrich, wie der Berlin in den 40ger Jahren des letzten Jahrhunderts erlebt. Wie er Stella kennen- und lieben lernt und auch über die Anfänge und Gründe ihrer Arbeit für die Gestapo.

Das Buch ist aufwühlend. Die klare Sprache, die Metaphern und Beschreibungen, die Gespräche, die mehr Abgründe offenbaren, als man glaubt zu verkraften. Ein gehaltvolles Buch. Schwer obwohl es so schmal ist. An einigen Stellen konnte ich Takis Würger nur widerwillig folgen. Nicht immer fand ich den Ton passend für das schwierige Thema. Dennoch würde ich es sehr empfehlen, denn einige Passagen waren wirklich großartig und lösten bei mir als Leser heftige Emotionen aus.