Die vielen Rätsel um "Sterbegeld" - ein Krimi von Judith Winter

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Am 10. November 2014 geht um 19.46 Uhr in der Polizeieinsatzzentrale in Frankfurt am Main der Anruf eines sechsjährigen Jungen ein, der voller Angst und Panik versucht, seine Mutter und sich selbst zu retten und Hilfe zu holen. Zu diesem Zeitpunkt sind sein Vater und seine kleine Schwester bereits tot. In das Haus der Familie ist ein Mörder eingebrochen, der skrupellos und völlig kaltblütig eine ganze Familie auslöscht. Denn als die Polizei am Tatort eintrifft, ist es auch für den kleinen Leon und seine Mama zu spät.
Acht Monate später wird ein Kollege der Ermittlerinnen Emilia Capelli und Mai Zhou, Thorsten Mohr, bei einer Razzia umgebracht. Kurz zuvor hatte er seine Schutzweste abgelegt. Niemand weiß warum. Gibt es Verräter in den eigenen Reihen?
Zur selben Zeit wird der Fall der ermordeten Familie wieder aufgerollt. Möglicherweise wurde damals der falsche Täter gefasst. Stehen die beiden Fälle eventuell im Zusammenhang? Und wenn ja, wie?
Die Leseprobe fängt bereits sehr schockierend an. Man wird direkt in die Situation mitgenommen, in der der Mörder ein Blutbad im Hause der vierköpfigen Familie anrichtet. Die Angst, die das Opfer gespürt hat, überträgt sich beim Lesen förmlich. Als die Kommissare der Polizei am Tatort eintreffen, herrscht völliger Nervenkitzel. Zu erleben, wie die beiden Beamten mit dieser Situation umgehen, wie sie denken und fühlen, das auch sie Angst haben das Haus zu betreten, verleiht der Geschichte einen interessanten Perspektivenwechsel. Dies geschieht auch in der Situation, als der Anwalt seinen neuen Mandanten, den vermutlichen Mörder, im Gefängnis besucht und sich als Pflichtverteidiger vorstellt. Man bekommt einen Eindruck, wie sich der Anwalt fühlt und was er wirklich denkt. Dieser Blick hinter die einzelnen Fassaden der Menschen, die eigentlich immer stark sein müssen, distanziert um ihren Job machen zu können, nüchtern und objektiv handeln sollen, um einen solchen Fall klären zu können, aber das Mensch-sein nicht verlieren dürfen, das fasziniert und fesselt mich zugleich. Die andere Seite: Wie kann ein Mensch einem anderen Menschen solche Grausamkeiten zufügen? Welche Motive verleiten jemanden zu solch unmenschlichen Taten? Warum? Hat so jemand keine Gefühle, kein Gewissen? Welche Gedanken schießen einem da durch den Kopf, um völlig abgedreht zu handeln und Kinder in den Tod zu reißen? Eine Familie auszurotten?
Auch das Cover wirft eine Flut an Fragen bei mir auf. Es wirkt sehr düster und dennoch schlicht. Der Käfer, ich vermute es ist ein Hirschkäfer, mit seinem roten Panzer und Blutspuren auf einem trockenen Erdboden voller Geäst, hat etwas unbehagliches. Die großen Scheeren vorne in Form eines Geweihs vermitteln einen angsteinflößenden und andwidernden Eindruck. Wie der Titel "Sterbegeld" dazu passt, bleibt etwas offen und kann in mehrere Richtungen gehen.
Normalerweise sind Krimis so überhaupt gar nicht mein Genre, doch dieses Buch scheint ein Geheimnis in sich zu tragen, was mich neugierig macht, an dem ich nicht vorbei komme. Warum genau das so ist kann ich schwer erklären. Vielleicht sind es die verschiedenen Perspektiven, die mich so kriegen, weil ich sie gerne verstehen und nachvollziehen möchte oder einfach nur die Denkweise dahinter, warum Menschen fähig sind, anderen etwas so Schreckliches anzutun.
Durch diese Leseprobe würde ich mich zum ersten Mal zu einem Kriminalroman hinreißen lassen und gebannt das Auflösen der beiden Fälle mitverfolgen.