Wenn dich die Schatten der Vergangenheit einholen

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enzian Avatar

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Im Prolog begegnen wir der vierjährigen Mia, die allein und in völliger Finsternis erwacht. Das Kind ist gefesselt und weiß nicht, wo es sich befindet. Die letzte Erinnerung des kleinen Mädchens besteht darin, dass es bei der Oma war.

Danach werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. In einer kalten, verschneiten Winternacht schleppen Heinrich und Thomas den toten Erik zwischen sich in Richtung S-Bahngleise. Begleitet werden sie von zwei jungen Frauen, Kathrin und Amelie. Die Freunde, Mitglieder einer Wohngemeinschaft, werfen gemeinsam den toten Erik auf die Bahngleise.

Viele Jahre später ist Kathrin Voss eine erfolgreiche Ärztin und hat eine kleine Tochter, Mia. In ihrer Wohnung verschwinden plötzlich Dinge, wie eine Fernbedienung und Handcreme, Bilder hängen schief. Die Gegenstände tauchen dann an den unmöglichsten Stellen wieder auf oder verschwinden gänzlich. Kathrin hat zunächst Mia in Verdacht, das Kind hat aber nichts weggenommen.
Die Situation spitzt sich dramatisch zu. Bald wird Kathrin klar, dass jemand in ihre Wohnung eindringt. Damit nicht genug, spricht ein Fremder die kleine Mia im Kindergarten an. Er sieht genauso aus wie Kathrins ehemaliger Mitbewohner, der tote Erik. Auch andere Mitglieder der Wohngemeinschaft erhalten Nachrichten von Erik oder sehen ihn sogar selbst. Für sie stellt sich nun die Frage, können Tote auferstehen oder war Erik gar nicht tot? Sogar die nüchterne Kathrin, die immer alles im Griff hat, stellt sich diese Frage.

Allen ehemaligen Freunden ist gemeinsam, dass sie ein dunkles Geheimnis hüten und sich schuldig gemacht haben. Für Kathrin ist nichts mehr, wie es war, sie kann die Dinge nicht unter Kontrolle bringen.

 

Siegfried Langer hat die Handlung seines Thrillers in Berlin angesiedelt.
Der Autor hat das Buch in kurze, überschaubare Kapitel gegliedert, die zugleich verschiedene Zeitebenen enthalten. So begegnen wir den Protagonisten in einem ständigen Wechsel von damals und heute. Einige, wenige Kapitel enthalten die Überschrift neulich. Darin werden die Leser zumeist mit neuen Details konfrontiert. Der Schreibstil ist flüssig, der Autor verwendet kurze, prägnante Sätze.
Der Aufbau der Handlung ist psychologisch sehr geschickt durchdacht. Bereits im Prolog wird gezeigt, was sich im Laufe der Handlung ereignet.

Danach lernen wird die Hauptprotagonisten kennen. Vier Freunde, die in einer WG leben, ein fünfter kommt hinzu. An einem Winterabend fassen sie einen verhängnisvollen Entschluss. Es drängen sich sofort Fragen auf. Ist Erik durch einen Unfall ums Leben gekommen? Der Autor führt seine Leser nach und nach zu den Geschehnissen von damals. Es wird spürbar, dass sich diese Bilder für immer in Kathrins Gedächtnis eingeprägt haben. Sie hat sie verdrängt, bis eines Tages die Ereignisse von damals wieder in ihr Leben treten. Die Beunruhigung ist zunächst kaum wahrnehmbar, steigert sich erst langsam zu purer Angst.

Der Autor hat seine Protagonisten sorgsam und authentisch gezeichnet. Ich kann mich gut in jeden einzelnen hineinversetzen. Freunde, wie sie gegensätzlicher nicht sein können, alle haben Schuld auf sich geladen.
Kathrin, die erfolgreiche Ärztin, die alles im Griff hat, eine Macherin. Heinrich, der gut situierte Rechtsanwalt, nicht minder erfolgreich, aber leicht aus der Fassung zu bringen.
Mit Amelie und Thomas hingegen hat es das Leben nicht gut gemeint. Sie sind an den Geschehnissen von damals zerbrochen.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe interessanter Nebenprotagonisten. Ungewöhnlich ist, dass der Autor weitestgehend auf Ermittler verzichtet hat. Lediglich zu Beginn der Handlung begegnet uns Polizeioberkommissar Theo Kron. Somit konzentriert sich alles um Kathrin, ihre ehemaligen Mitbewohner und einige weitere Personen.

Der Autor versteht es die Spannung zu halten. Immer wieder baut er neue Details in das Geschehen ein. Die einzelnen Erzählstränge werden am Ende gekonnt zusammengeführt. Aus den einzelnen Puzzleteilchen setzt sich ein Bild zusammen. Der anfängliche Verdacht, wer Mia entführt haben könnte, zerschlägt sich. Erst zum Ende des Buches wird klar, wer für die Tat verantwortlich ist.

Siegfried Langer hat einen intelligenten, spannenden Thriller geschrieben, der ohne brutale Szenen auskommt. Davon müsste es mehr geben.
Das düster gestaltete Cover ist perfekt auf die Handlung des Buches ausgerichtet.