Sehr spannend und gleichzeitig nachdenklich machend

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gihild Avatar

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Rezension Sterbewohl

Aufmerksam wurde ich auf das Das Buch „Sterbewohl“ von Olivia Monti durch eine Leseprobe von vorablesen.de. Jetzt liegt es mir vor, in Hardcover, wie ich meine Bücher am liebsten lese.
Der Kriminalroman erscheint am 1.12.2020 im Verlag von Olivia Monti (Druck neopubli) und hat 212 Seiten.
Frau Monti, Jahrgang 1960 ist seit 1994 als freie Autorin tätig und hat neben weiteren Kriminalromanen auch Romane und Sachbücher verfaßt.
Inhalt:
Nach einer großen Wirtschaftskrise hat sich eine einzige Partei herauskristallisiert und Deutschland lebt in einer Scheindemokratie. Diese versucht jetzt, zur Unterstützung der Gesellschaft und zum Allgemeinwohl alte Menschen dazu zu bewegen, eine Sterbepille zu nehmen. Offiziell, um sie vor unsäglichem Siechtum zu schützen, inoffiziell, um Geld zu sparen.
Die 4 Protagonisten sind aber erst seit kurzer Zeit berentet und wohnen gemeinsam in einer Art Hausgemeinschaft. Nadja, die Grundschullehrerin war, ist die Erzählerin. Sie wurde erst gerade pensioniert und wollte jetzt anfangen, zu Reisen und ihr Leben zu genießen. Anna war eine alte Schulkameradin von Nadja und hatte als Altenpflegerin gearbeitet, eine ruhige und anscheinend ausgeglichene Frau. Fred hat durch sein Vermögen nie arbeiten müssen, aber immer viele Projekte angefangen und leider war er jedes Mal gescheitert. Max war Sparkassenangestellter und durch den Tod seiner Frau vor einigen Jahren recht resigniert. Sie fühlen sich noch körperlich total fit, als jeder von ihnen die Einladung zu einem Sterbeseminar erhält. Alle sind entsetzt, weil sie sich nicht wirklich alt fühlen. Auch, wenn es sich angeblich um ein Seminar in einem Nobelhotel auf einer Nordseeinsel handelt, dass man jederzeit wieder verlassen kann, trauen sie dem ganzen nicht. Es wird gemunkelt, dass keiner von so einem Sterbeseminar zurückkehren würde.
So beschliessen die 4, die Aussicht auf einen schönen Aufenthalt in dem Hotel anzunehmen, sich aber gegen die Sterbepille zu entscheiden. Sollte es dort nicht mit rechten Dingen zugehen, wollen sie dies an die Öffentlichkeit bringen. Dafür nimmt Fred Kontakt zu einer befreundeten Journalistin auf, die sich den vieren anschließt und gemeinsam fahren sie in dieses Nobelhotel.
Dort angekommen scheint es sich um ein normales Hotel zu handeln. Es gibt zwar viele manipulative Vorträge, aber von Zwang ist nicht die Rede. Aber den Freunden fallen kleine Dinge auf, die komisch sind. Nur Anna hat für alles eine logische Erklärung. Als sie sich in einen der Vortragsredner verliebt, ist sie endgültig von der Harmlosigkeit des Hotels überzeugt. Anfangs fragen sich auch die anderen, ob sie sich alles einbilden. Dann aber wird es merkwürdiger und mysteriöser. Wenn sie etwas herausfinden wollten, mussten sie jetzt handeln.

Gestaltung
Ein ungewöhnlicher Krimi ohne Detektiv oder Polizei. Die Erzählung in der Ich-form ist rundum gelungen. Ich konnte mich gut in die einzelnen Personen hineinversetzen und das unheimliche Gefühl, welches die Hauptpersonen immer wieder beschlich schwang permanent unterschwellig mit. Alle Figuren blieben bis zum Schluss authentisch. Die Identifizierung mit den Protagonisten wird einem leichtgemacht. Der rote Faden war im ganzen Buch zu spüren, alles passte logisch ineinander und die Lösung war sinnvoll und ausgewogen. Es blieben keine Fragen offen ohne am Schluss den Fall zu zerreden, was mir besonders gut gefiel.

Kritik:
Der Spannungsaufbau hatte einige kleine Brüche, nahm aber immer wieder Fahrt auf. Einiges fand ich eher ungewöhnlich. Zum einen, dass die Journalistin die belastenden Fotos von Fred machen ließ. Keine richtige Journalistin würde einem Laien so etwas Wichtiges anvertrauen. Zum anderen war mir die Person der Anna zu schwammig herausgearbeitet. Sie als Altenpflegerin hätte mehr zur Lebensqualität von alten kranken Leuten sagen können. Auch später blieb sie eher diffus obwohl sie durch ihr verändertes Verhalten etwas mehr an Aufmerksamkeit hätte vertragen können. Das Verhalten der anderen ihr gegenüber schien unglaubhaft. Obwohl Anna ein Unsicherheitsfaktor wurde, besprachen sie in ihrem Beisein ihre Pläne. Auch, dass sie später nicht sofort nach ihrem Verbleib gefragt hatten, fand ich nicht logisch. Aber diese kleinen Ungereimtheiten trübten in keiner Weise den guten Gesamteindruck des Buches. Ich habe es genossen, ihn zu lesen und der Inhalt hallte noch lange in mir nach. So etwas kann ich nicht von vielen Kriminalromanen sagen.
Leider wird das Cover dem Inhalt nicht gerecht. Der Titel „Sterbewohl“ ist gut gewählt aber das Cover sieht langweilig aus. Ich hätte es von mir aus in einer Buchhandlung nicht in die Hand genommen.
Fazit:
Das Buch ist spannend und gleichzeitig macht es sehr nachdenklich. In meinen Augen spiegelt es gut manche Sicht der Allgemeinbevölkerung über eine alternde Gesellschaft wieder. Vor allem Leute jenseits der 50 werden sich in vielen Situationen wiederfinden. Ich werde es auf jeden Fall meinen Freundinnen weiterempfehlen.