Kalte Spuren interessant und durchaus spannend aufbereitet

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
annajo Avatar

Von

Am 28. Februar 1986 wird der schwedische Ministerpräsident Olof Palme auf offener Straße erschossen. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt. Auch der damalige Journalist und Illustrator Stieg Larsson recherchiert zu dem Fall und sieht schnell Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene. Die schwedische Polizei konzentriert sich jedoch auf andere Theorien. Jahrzehntelang kommt Larsson immer wieder zu dem Fall zurück, beleuchtet neue Spuren, sammelt neues Material. Zwischenzeitlich wird er zum Bestsellerautoren. Doch den Mord an Olof Palme kann er nicht aufklären und auch die Polizei nicht von seiner Theorie überzeugen. Bei seinem plötzlichen Tod im Jahr 2004 hinterlässt er ein ganzes Archiv. Zehn Jahre später stößt der Journalist Jan Stocklassa auf dieses Archiv, bekommt Zugang dazu, folgt Larsson Spuren und entwickelt dessen Theorien weiter, weicht aber auch davon ab. Neben dem Mord an Palme versucht Stocklassa auch, Larssons Leben und Recherchen zu rekonstruieren ...

Zweiteres ist Stocklassa, meiner Meinung nach, nicht ganz so gut gelungen. Im ersten Teil befasst sich das Buch mit Stieg Larsson als Person, seinem Privatleben und seinen Recherchen in der rechtsextremistischen Szene. Leider kommt Stocklassa nie nah genug heran, um Larsson lebendig wirken zu lassen. Über dessen Vorgehensweise kann er nur Vermutungen anstellen und über ihn als Person kann er nur von Anekdoten Dritter berichten. Da Larsson durchaus ein Aufhänger des Buchs ist, hätte ich sehr gern mehr über ihn erfahren, über seine Erkenntnisse über die Rechtsextremisten und wie seine Recherchen sein Leben beeinflusst haben. Es gab ja immer wieder Berichte, dass er bedroht wurde. Auch seine Methoden hätte ich gern näher kennengelernt, aber Stocklassa geht hier nicht ins Spekulative oder Fiktive und dadurch bleibt Larsson eher blass und wirkt mehr wie ein Verkaufsargument. Dementsprechend enttäuscht war ich beim Lesen.

Dann jedoch beginnt Stocklassa, von seinen eigenen Recherchen zu berichten. Davon, wie er an Larssons Archiv kam und wie er sich das umfangreiche Material selbst erschließen musste. Er verfolgte Larssons Spuren weiter, interviewte Personen, an die selbst Larsson noch nicht herangekommen war und bediente sich sogar fragwürdiger Methoden, die ihn ganz nahe heranbrachten an die Personen von Interesse. Hier kam endlich richtig Spannung auf und Stocklassas Vermutungen wurden nachvollziehbar. Insgesamt ist jedoch schwer nachzuvollziehen, ob Stocklassas oder auch Larssons Theorien wahrscheinlich sind, sie wurden jedoch sehr plausibel dargelegt. Nicht immer allerdings waren die Namen und Akteure übersichtlich dargestellt. Gut nachzuvollziehen ist dagegen die Frustration, die mit den Recherchen einhergegangen sein muss, denn nach über 30 Jahren dürfte es kaum noch Beweise geben und alle Spuren dürften kalt sein. Wenn nicht noch jemand freiwillig gesteht, wird der Mord an Palme höchstwahrscheinlich unaufgeklärt bleiben. Vielleicht gelingt es Stieg Larsson posthum und Stocklassa noch zu Lebenszeiten, mit ihrem Material zur Aufklärung beizutragen. Ein interessantes und streckenweise spannendes Buch über Verschwörungen, erschütternde politische Machenschaften und vielen weitestgehend unbekannte erschreckende "Parallelgesellschaften" mit extremistischen Ideologien ist allemal dabei herausgekommen.