Schuld und Sühne!?

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justm. Avatar

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Es ist schon mutig ein Buch mit dem Satz "Für alle, die es leid sind, immer wieder dieselbe Geschichte über ermordete Frauen zu lesen: Dieses Buch ist für Euch." anzukündigen. Man möchte meinen, da wird der Mund ganz schön voll genommen, aber das ist hier - mit Abstrichen - nicht der Fall.

Dazu muß man allerdings wissen, worauf man sich mit "Stigma" einläßt und ich denke eine Triggerwarnung zu Beginn des Buches wäre vielleicht nicht die dümmste Idee gewesen. (Zumindest in der ebook-Version gab es keine.)
Denn auch wenn "Stigma" als Thriller deklariert wird und dieses Prädikat meiner Meinung nach auch verdient, so werden hier zwischen "den üblichen" Leichenfunden und Ermittlungsarbeiten eben immer wieder auch unterschiedlichste sexuellen Übergriffe thematisiert!

Das ungleiche Ermittler-Team, das hier ins Rennen geht und erst eine gleiche Tötungs-Methodik bei zwei Leichen erkennt, nur um dann noch ganz andere, viel dunklere Gemeinsamkeiten zwischen den Toten festzustellen, ist vom Autoren-Duo Lea Adam geschickt ausgewählt worden, unterscheiden sie sich doch beinahe wie Feuer und Wasser und sorgten - zumindest bei mir - auf der Suche nach dem vermeintlichen Rächer / der vermeintlichen Rächerin zwischendurch immer für ein wenig Auflockerung
Und die war auch bitter nötig, denn gerade zum Ende hin fühlte ich mich von den geschilderten Übergriffen und der allgemein um sich greifenden Misogynie beinahe erdrückt.

Es ist fast schon erstaunlich zu erkennen, wie sehr Rache einen Menschen zu bestimmte Taten treiben kann. Es ist aber noch erstaunlicher, wenn Autor*innen es schaffen diese Taten so darzustellen, daß man sie als Leser*in tatsächlich nachvollziehen kann. Jemand der Sexualstraftäter zur Strecke bringt? Man möchte beinahe schrei(b)en "Gut so. Mach weiter!" und hoffen, daß niemand den Täter, die Täterin aufhält. Und erst dann meldet sich das eigene Gewissen, das Unrechtsbewußtsein.

Den Autorinnen gelingt es zwar beide Seiten halbwegs verständlich darzustellen, läßt die Leserschaft mit der Entscheidung darüber, wer hier richtig und wer falsch gehandelt hat, aber im Großen und Ganzen allein.

Daher ist es wohl auch wenig erstaunlich, daß die Auflösung der Fälle am Ende dann auch ein bißchen zu einfach ist. Nicht unbedingt nur im Sinne der Vorhersehbarkeit, sondern weil das Rache-Motiv hier ein Mal mehr herhalten muß und letztlich nicht wirklich neu ist. Inwiefern es dann eben doch nicht dieselbe Geschichte über ermordete Frauen ist? Auch das müssen die Leser*innen für sich selbst entscheiden.

Nichtsdestotrotz hat mich die Geschichte schnell in ihren Bann gezogen und trotz einiger sprachlicher Holperer gab es einen guten Lesefluß. Dazu ein Finale, das seines Gleichen sucht und noch mal für richtig Spannung sorgte.

Daher und auch wegen des - im Bezug auf das Team - offenen Endes, schreit dieses Buch nach einer baldigen Fortsetzung.