Die Anmut des Todes

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dicketilla Avatar

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Es ist die Geschichte des Karl Heidemann, der am 6. Dezember 1982, mit einem niemals endenden Schrei, zur Welt kam. Kind zweier Außenseiter, die dennoch in Liebe zueinander fanden, ein Wunschkind zeugten.
Finsternis und Stille vermochten jedoch Karl nur ruhig zu stellen.

“Wie würde ein Kind, das beschlossen hatte, vom Anbeginn seiner Existenz dieser Welt vorwiegend ins Gesicht zu brüllen, handeln, wenn es erst des Handels fähig wäre?” ( S.27 )

Karl, mit einem besonderen Gehör, endlich dem Lärm des Mutterleibs entkommen, nun dem Wüten der Welt ausgesetzt. Isoliert in der Stille des Kellers gehalten, fand er zur Ruhe, aber dennoch lauschend, was um ihn herum passierte. So wuchs er als ein sich ständig gefüttertes Wesen, zu einem dicken Kind heran, deren Gesicht nur noch aus zwei Augenschlitzen bestand.
Laute verschwanden, Mimik drückte seine Abneigung gegenüber der Mutter aus, die durch ihre Redseligkeit, ihm schon im Mutterleib eine Qual war.
Sein selbst gewähltes Dasein, im Asyl des Kellers, erst von den Bewohnern verstörend aufgenommen, aber bald geriet Karl in Vergessenheit.
Ein intelligenter Junge, der vom alten Schulleiter unterrichtet wurde, sein einziger Freund wurde.

Bis zu einem Tag des Frühsommers 1992, als Karl Heidemann mit nur einem Wort sein Schweigen brach, das tödlich war.

Ein Junge, der nie Berührungen spürte, Liebe empfand, erst beim Anblick der toten Mutter Frieden, sogar Liebe meinte zu erkennen.
Der Tod, Stille, Ruhe löste das größte Gefühl, Zufriedenheit und Erlösung aus.
So wurden die Nächte seine wahrhaften Tage, in der er um die Häuser zog, um die Abgründe, Herzlosigkeit, gespielte Liebe, deren Bewohner erfuhr.

“Menschenhand. Göttin aller Werkzeuge, universell, präzise, schöpferisch.” ( S.105 )

Schon das Cover strahlt diese Ruhe, Stille aus, dennoch der Nebel über dem See, eine Bedrohung ankündigt. Thomas Raab hat eine außergewöhnliche Geschichte, in einer atemberaubenden Sprache, geschrieben. Bereits von den ersten Zeilen an, ist man gefangen, fasziniert, von den aneinander gereihten Worten, die mit einer Präzision ,Personen, Umfeld wissen zu beschreiben, deren Komposition
ein Genuss ist zu begleiten.
Karl, der als ein missverstandenes Kind, durch Hilflosigkeit, isoliert aufwächst. Sich seine eigene Welt ersinnt, durch falsch verstandene Liebe zum Mörder wird.
Die Handlung ist in drei Kapiteln unterteilt.
Glaube, Liebe und Hoffnung. Und in jedem Kapitel beginnt sich Karl zu verändern.
Der Autor spricht auch viele Themen in seiner Geschichte an, wie die Verurteilung der Umgebung gegenüber dem anders ist, häusliche Gewalt bis zur Sterbehilfe.
Ein außergewöhnliches Buch, mit einer Handlung, die noch lange im Gedächtnis verweilen wird.
Unbedingt lesenswert!

“Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.”

(Friedrich Nitsche: Jenseits von Gut und Böse,Aph.146 )