Düsteres Psychogramm von poetischer Schönheit

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luna66 Avatar

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Ist es möglich, für einen seltsamen Außenseiter und mehrfachen Mörder so etwas wie Mitleid oder gar Sympathie zu empfinden? Ja, denn Thomas Raab gelingt es in seinem Roman "Still" dem Leser diese gequälte Seele Karl Heidemanns näherzubringen. In Jettenbrunn, einem kleinen Dorf, welches wie aus der Zeit gefallen scheint, wird eben dieser Karl geboren - mit dem wohl sensibelsten Gehör, das es je gab. Fortan wird dieses empfindliche Organ sein Fluch sein, denn keiner kann begreifen, dass alle Geräusche dieser Welt eine unendliche Tortur für den Jungen bedeuten. Er wächst isoliert im schalldichten Keller auf ohne die Möglichkeit, soziale Beziehungen zu knüpfen und das Wesen anderer Menschen zu verstehen. Irgendwann glaubt er in der Ruhe des Todes ein Geschenk zu erkennen, welches er den Menschen bringen kann und wird zum Mörder. Auf seiner Flucht findet er für eine Weile Zuflucht und Geborgenheit in der Gemeinschaft von Mönchen. Ein bitteres Liebesglück ist ihm nur kurz vergönnt. Als sich sein Leben vollendet, lässt er den Tod kommen als Freund, der ihm die ersehnte ewige Stille bringt.
"Still" ist in jeder Hinsicht ein sehr berührenders Werk voller Sprachgewalt und Poesie, ein Lesegenuss der ganz besonderen Art. Dafür 5 Sterne!