Ein grandioser Roman

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
kainundabel Avatar

Von

6.Dezember 1982. Im kleinen Dorf Jettenbrunn wird Karl Heidemann geboren und schreit und schreit und schreit. Schon in der Fruchtblase war der mütterliche Herzschlag als dröhnender Donner sein ständiger Begleiter. Auch zukünftig sind die Geräusche der Welt ein Martyrium für ihn, der Flügelschlag eines Schmetterlings ebenso wie das Gleiten der Blindschleiche im Gras. Als die Eltern erkennen, was ihrem Kind derart große Pein bereitet, richten sie ihm einen Raum im Keller ein, der zu seinem ständigen Aufenthaltsort wird. Hier ist für ihn die Welt erträglich. Nur die Stille des Todes verspricht Karl Heidemann Erlösung und er kann nicht verstehen, warum der Tod Trauer und Verzweiflung statt Freude und Aufatmen auslöst. Blutig ist die Spur, die er im Laufe seines Lebens hinterlässt. Immer wieder gelingt es ihm durch sein sensibles Gehör, sich seinen Opfern lautlos zu nähern und seinen Verfolgern zu entkommen. In Marie scheint er das Ziel seiner ewigen Suche zu finden, doch seine Sehnsucht nach Liebe findet keine Erfüllung.
Thomas Raabs Roman „Still“ ist eine Wucht! Die Geschichte fasziniert ebenso wie der ungewöhnliche Schreibstil, der zunächst sicher gewöhnungsbedürftig, aber auf jeden Fall originell und bewundernswert ist. Um diesen kreativen Stil kann man den Autor nur beneiden. Das Buch lässt den Leser nicht los, nimmt ihn mit auf eine Achterbahn der Gefühle zwischen Verständnis, Mitleid, Entsetzen. Spannend von Anfang bis Ende! Auch wenn die Tage inzwischen wieder länger werden, so sind die Abende immer noch lang genug, um sich auf der Couch von diesem Buch und seinem unheimlichen Protagonisten gefangen nehmen zu lassen. Für mich ist „Still“ eines der besten Bücher der letzten Jahre!
P.S. Ich muss allerdings noch etwas ergänzen: Ich hatte die Möglichkeit, das Buch vorab zu lesen und hielt es zunächst für ein noch nicht korrigiertes Leseexemplar. Beim gestrigen Besuch einer Buchhandlung musste ich allerdings feststellen, dass es völlig identische Ausgaben sind. Ich sitze weiß Gott nicht mit dem Rotstift zum Korrigieren vor einem Buch. Druck- und Setzfehler (nennt man das eigentlich heute noch so??) sind menschlich, aber mir ist noch nie ein Buch untergekommen mit derart vielen Fehlern. Ich finde, das ist ein Affront des Verlages gegenüber dem Autor und seinem Werk, aber auch gegenüber dem Leser!