Komm, süßer Tod

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buecherfan.wit Avatar

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In “Still - Chronik eines Mörders” zeichnet Thomas Raab - bisher bekannt durch die Krimiserie um Willibald Adrian Metzger - das Psychogramm einer abnormen Persönlichkeit. Der Roman beginnt und endet mit dem Tod des Karl Heidemann, der vom Tag seiner Geburt an anders ist als andere Kinder. Er treibt seine Eltern und die Dorfgemeinschaft des kleinen Jettenbrunn in Österreich in den Wahnsinn, weil er Tag und Nacht schreit. Die Familie wird gemieden, ausgegrenzt. Es dauert lange, bis der Vater erkennt, welche Ursache das sonderbare Verhalten seines Sohnes hat. Karl hat ein hypersensibles Gehör, das den Lärm der Welt für ihn zur beständigen Qual werden lässt. Fortan lebt er im schalldichten Keller, trägt ständig Ohrstöpsel und hat keinen Kontakt zu seinen Mitmenschen. Ein pensionierter Lehrer, Freund der Eltern, unterrichtet ihn im Haus.

Als seine Mutter sich im Weiher ertränkt, erkennt Karl, was den Menschen Stille und Frieden bringt. Er sieht unglückliche und kranke Menschen um sich herum und bringt ihnen Erlösung durch einen gnädigen Tod. Sein Vater versteht irgendwann, was er treibt und hält ihn für eine Bestie. Er verlässt Jettenbrunn, und auch Karl begibt sich auf eine lange Reise. Er überlebt in der Natur, stiehlt sich nachts zusammen, was er braucht

In der Folge wird er zum Rächer, tötet schlechte Menschen, die es nicht verdient haben zu leben. Er versucht das stumme Mädchen Marie vor ihrem gewalttätigen Vater Veit zu schützen, aber der überlebt und quält seine Familie weiter. Später wird Karl in den italienischen Bergen von einem Mönch gefunden und lebt dort viele Jahre lang als Mönch Vitus. Er kümmert sich in einem Hospiz aufopferungsvoll um Sterbende und beeindruckt die Menschen durch seine Zeichnungen und Holzschnitzereien. So kommt ihm auch der Polizist Horst Schubert auf die Spur, der seine außergewöhnliche künstlerische Begabung schon früh erkannt und nie aufgehört hat, nach ihm zu suchen.

“Still” ist ein sprachgewaltiger Roman mit deutlichen literarischen Vorbildern (Patrick Süßkind, Robert Schneider), gespickt mit Bibelzitaten und Gedichten von Storm und Fontane. Raab schafft es, den Mörder sympathisch wirken zu lassen, indem er Gewaltdarstellungen vermeidet und ihn zum Schluss als Liebenden zeigt. Karls Taten werden diskret, fast beiläufig erwähnt, sind nie blutiges Gemetzel. Einen solchen Serienmörder hat man in der Literatur noch nicht gesehen. Raab hat einen sehr beeindruckenden Roman geschrieben, der durch seine sprachliche Qualität überzeugt und lange nachwirkt.